Probleme mit umstrittenem Flüchtlingsplan Seehofers Grenzen

Horst Seehofer will Ausländer mit Einreisesperre zurückweisen lassen. Doch der Plan hakt gewaltig, denn die Anweisung des CSU-Innenministers gilt längst nicht für alle deutschen Grenzen.
Polizisten kontrollieren an der deutsch-österreichischen Grenze

Polizisten kontrollieren an der deutsch-österreichischen Grenze

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Horst Seehofer konnte kaum an sich halten. Ein "Skandal" sei das, polterte der Bundesinnenminister jüngst, wenn Ausländer trotz Einreisesperre ins Land kämen. Ein längst abgewiesener Flüchtling etwa dürfe problemlos zurückkehren und erneut Asyl beantragen. "Sofort" wolle er das ändern, versprach der CSU-Mann. Noch am Dienstag erteilte er Anweisungen an die zuständige Bundespolizei.

Und so setzte deren Chef Dieter Romann ein Rundschreiben auf an seine Direktionen von Schleswig-Holstein bis Bayern. An allen Binnengrenzen, an denen es vorübergehend Grenzkontrollen gebe, seien "ab sofort" Personen mit einem Einreiseverbot zurückzuweisen.

Worauf Romann nicht näher einging, ist die Tatsache, dass die Anweisung lediglich für die deutsch-österreichische Grenze gilt. Das bestätigte ein Sprecher der Bundespolizei. Nur dort sind vorübergehend Grenzkontrollen erlaubt. An den Binnengrenzen zu den restlichen acht Nachbarländern sind Schlagbäume entsprechend dem Schengener Abkommen komplett abgeschafft.

Wer etwa aus Polen nach Deutschland kommt, lässt sich auch nach Seehofers Wuterlass nicht zurückweisen. "Mit Überschreiten der Binnengrenze ist eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich erfolgt", sagte der Sprecher der Bundespolizei.

Grundsätzlich hat die Polizei in einem solchen Fall die Möglichkeit, den Betroffenen ins Nachbarland zurückzuschieben, sofern man ihn in einer grenznahen Region aufgreift. Allerdings gilt das nur, solange er kein Asyl beantragen will.

Kritik an Seehofers Ansage kommt von Jörg Radek, Vize der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dass sich die Maßnahme auf die deutsch-österreichische Grenze beschränke, führe vor Augen, "wie kurz der Vorstoß greift". Er sei eine "Absurdität".

Ausweichen über Frankreich

Es sei absehbar, dass sich diejenigen, die als abgelehnte Asylbewerber mit Wiedereinreisesperren nach Deutschland belegt worden seien, andere Routen suchten. "Wenn sie über die Niederlande, Frankreich oder Belgien einreisen sollten", so Radek, "dürften sie keinerlei Probleme haben".

Notwendig sei eine Reform des EU-Rechtssystems. "Wir müssen mit unseren Nachbarn vereinbaren, wie wir die notwendigen Kontrollen im Schengenraum organisieren wollen." Auch müsse die Bundespolizei personell und materiell in die Lage versetzt werden, Kontrollen an allen deutschen Grenzen durchzuführen.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte dem SPIEGEL, es sei "nicht geplant", an den Grenzen zu weiteren Nachbarländern Kontrollen einzuführen. Das sei nicht notwendig. Die "Hauptmigrationsroute" verlaufe von Österreich nach Deutschland. Die Grenzkontrollen zu dem Nachbarland waren nach dem Asylansturm 2015 vorübergehend wieder eingeführt worden. Grundsätzlich muss über einen solchen Schritt letztlich die EU entscheiden.

3500 Kilometer Grenze - nur 800 zu Österreich

Seehofer sieht seinen jüngsten Vorstoß als Teil eines größeren Plans. Der CSU-Mann will auch Flüchtlinge, die in einem anderen Land bereits registriert wurden, an der Grenze abweisen. Darüber streitet er mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Seehofer hat ihr ein Ultimatum gestellt und damit gedroht, ihren Widerstand zu ignorieren.

Merkel lehnt einen deutschen Alleingang ab und drängt auf eine Verständigung mit den Nachbarländern. Die Rechtslage zeigt, wie schwierig es ist, Menschen in Nachbarländer zurückzuschicken, wenn sie die Grenze überquert haben.

Insgesamt erstrecken sich die deutschen Binnengrenzen über mehr als 3500 Kilometer. Die Grenze zu Österreich hat eine Länge von mehr als 800 Kilometern. Im Schengener Abkommen haben sich 26 europäische Staaten zur Abschaffung von Grenzkontrollen verpflichtet. Als Binnengrenze bezeichnet man die Grenze zwischen Schengenstaaten, eine Außengrenze trennt einen Schengenstaat von einem Nicht-Schengenstaat.

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