Atomausstieg Schwarz-Gelb zögert Entscheidung über AKW-Laufzeiten hinaus

Protest in Berlin gegen Laufzeitverlängerung: "Sorgfalt vor Eile"
Foto: Tobias Kleinschmidt/ dpaBerlin - Die schwarz-gelben Atom-Ambitionen wanken. Die Koalition hat erneut ihre Entscheidung über längere verschoben. "Wir brauchen bis Ende August", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich nun. Bisher war Mitte Juli angepeilt worden, um das Konzept noch vor der parlamentarischen Sommerpause vorzulegen. Dem parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), zufolge liegen Gutachten mit Berechnungen zu unterschiedlichen Szenarien aber erst Ende August vor. Es gelte der Grundsatz "Sorgfalt vor Eile".
Eigentlich hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) und CSU-Chef Horst Seehofer die Verlängerung der Laufzeit klar in ihrem Koalitionsvertrag verabredet. Die Unionsfraktion hatte bislang eine Verlängerung der Laufzeiten um bis zu 28 Jahre auf dann 60 Jahre beabsichtigt. Doch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hält, wenn überhaupt, nur eine moderate Laufzeitverlängerung von acht bis zehn Jahren für durchsetzbar - dafür war er von seiner Partei scharf kritisiert worden.
Das Problem: Nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben Union und FDP im Bundesrat nicht genug Stimmen, das Vorhaben dort gegen den Willen der anderen Parteien durchzusetzen. Deshalb ist in Berlin seit einigen Wochen innerhalb der Regierung ein Streit entbrannt, ob für eine Laufzeitverlängerung eine Entscheidung des Bundestags ausreicht. Die rot-grüne Regierung Bremens will gar gegen den Bund klagen, sollte Berlin das Atomgesetz ohne Länderbeteiligung ändern.
Nun kommt die Regierung den Kritikern zumindest etwas entgegen: Die Laufzeitverlängerung soll weniger großzügig ausfallen als bislang angenommen. Die Verlängerung werde "im zweistelligen Bereich" liegen, "das heißt zehn Jahre auf jeden Fall", sagte CSU-Politiker Friedrich am Dienstag nach den Beratungen im Koalitionsausschuss.
Die Ausdehnung der Betriebsdauer soll nach den Worten Friedrichs so ausgestaltet werden, dass eine Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich ist. "Wir werden die Laufzeitverlängerung machen", stellte er klar. Sollte man juristisch zu dem Ergebnis kommen, dass Laufzeit-Entscheidungen einer Zustimmung der Länderkammer bedürfen, könne man über eine Normenkontrollklage den von Rot-Grün ohne den Bundesrat durchgesetzten Atomausstieg anfechten.
CSU will erneuerbare Energien fördern
Die knüpft ihre Zustimmung außerdem an höhere Investitionen - und zwar in die Erforschung der erneuerbaren Energien. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag. Dort sei klar festgelegt: "Ein wesentlicher Teil der Gewinne aus der Laufzeitverlängerung soll als Ökodividende in die Förderung erneuerbarer Energien fließen."
Dazu zähle auch die Erforschung neuer Speichertechnologien. "Für uns hängt das unmittelbar zusammen: Verlängerung der Laufzeiten ja - aber verbunden mit der Förderung der erneuerbaren Energien", sagte Söder der Nachrichtenagentur dpa. Die Bundesregierung will nach CDU-Angaben voraussichtlich nach der Sommerpause über die verlängerten Atomlaufzeiten und das gesamte Energiekonzept beraten.
In den derzeit abgeschalteten Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel hat es indes wieder meldepflichtige Zwischenfälle der Kategorie "N" (Normal) gegeben. In Brunsbüttel startete bei Abnahmeprüfungen an einer Schaltanlage ungewollt ein Notstromdiesel im Unabhängigen Notstandssystem, teilten der Betreiber Vattenfall und das in Schleswig-Holstein für die Atomaufsicht zuständige Justizministerium am Dienstag mit. Sicherheitstechnisch relevante Auswirkungen hatte der Start laut Vattenfall nicht, formal wurde jedoch ein Meldekriterium erfüllt.
In Krümmel wurde an einem der sechs Notstromdiesel ein Riss an einer Kraftstoffleitung entdeckt. Die Leitung wurde ausgetauscht. Die Kraftwerke sind seit Mitte 2007 aufgrund von Pannen fast durchgehend vom Netz.