Atomkraft Regierung will Laufzeit-Streit mit Vorschriften lösen

Atomkraftwerk Biblis: Neue Vorschriften könnten zur Abschaltung führen
Foto: ddpBerlin - Die deutsche Bürokratie könnte in der Debatte um die Laufzeiten von in Zukunft eine größere Rolle spielen als bisher. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge plant die neue Sicherheitsauflagen für Reaktoren. Dieser Trick soll einen Kompromiss ermöglichen: Meiler, die den neuen Vorschriften nicht genügen, sollen dann schon 2011 vom Netz gehen. Im Gegenzug könnten modernere Anlagen weitaus länger laufen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise.
Sollte sich Schwarz-Gelb für diese Alternative entscheiden, könnten schon im kommenden Jahr die ersten "zwei oder drei" Atomkraftwerke ihren Dienst einstellen. Welche das sein könnten, und wie viel länger die übrigen Reaktoren laufen könnten, sei aber noch offen. Ungeklärt sei auch noch, ob überhaupt ein fester Zeitpunkt für das Abschalten der letzten Reaktoren genannt werde. Dies hänge letztlich auch mit der Sicherheit der Anlagen zusammen, heißt es in dem Bericht.
Sollten etwa die Außenhüllen in Zukunft gezielten Terrorangriffen standhalten können, würde dies das Aus für etliche Reaktoren älterer Bauart bedeuten. Die Anlagen wären kaum nachrüstbar, zumindest nicht in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen.
Die Zeitung bezeichnet den Kompromiss als "gesichtswahrende Lösung für alle Seiten". Die Betreiber könnten die Laufzeiten von den älteren Reaktoren dann auf die neueren übertragen. Dies hätte zur Folge, dass sich die Laufzeiten der modernen Anlagen um ein Vielfaches verlängern. Erhielten alle 17 Meiler eine "moderate" Verlängerung von sechs oder acht Jahren, wie sie Umweltminister (CDU) durchsetzen will, sei der Spielraum für neuere Atomkraftwerke sehr groß: Werden mehrere alte abgeschaltet, ließe sich die Laufzeit dieser Anlagen auf die der neuen übertragen.
Ungeklärt ist aber nach wie vor die Frage nach der künftigen durchschnittlichen Laufzeit. Ein Bündnis aus schwarz-gelben Bundestagsabgeordneten, süddeutschen Ländern und dem Bundeswirtschaftsministerium will nach Informationen des SPIEGEL die Reaktoren im Schnitt um 14 Jahre länger laufen lassen. Dagegen unterstützten mehrere Unionsministerpräsidenten Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der kürzere Fristen anstrebt.
Bis Herbst soll ein Energiekonzept Klarheit schaffen. Darin sollen auch die AKW-Laufzeiten festgelegt werden. Röttgen und die Ressorts für Inneres und Justiz gehen bislang davon aus, dass sich nur eine moderate Verlängerung auch ohne Zustimmung des Bundesrats bewerkstelligen lässt. Bliebe es beim bisherigen Atomkompromiss, müssten die sieben ältesten Kernkraftwerke bis Mitte 2012 ihren Betrieb einstellen.
Uran wird knapper - und teurer
Zur politischen Debatte und dem Streit um die Sicherheit der deutschen Meiler kommen nun auch noch Sorgen um den Nachschub an Uran. Der Brennstoff für Atomkraftwerke könnte in Zukunft deutlich teurer werden. Uran wird sich in den nächsten Jahren Berechnungen zufolge rasant verknappen. Wie der Jahresbericht der zuständigen EU-Kontrollbehörde Esa zeigt, würde spätestens ab 2020 das Uran aus den erschlossenen Minen nicht mehr ausreichen, um den heutigen Verbrauch von knapp 70 Kilotonnen Uran durch die 435 bestehenden Kraftwerke zu decken, berichtet die "Berliner Zeitung".
Die Grünen-Politikerin Astrid Schneider habe den Esa-Bericht abgeglichen mit den wenigen öffentlichen Daten, darunter dem Redbook Uran der IAEA. Bereits jetzt sei Deutschland "völlig importabhängig" vom Uran, sagte Schneider der Zeitung. Laut Esa und Redbook hält Deutschland seinen Uranbedarf nur für ein Jahr vorrätig. Bereits seit 1990 übersteige der Uranbedarf die weltweite Produktion und muss aus Lagerbeständen und abgerüsteten Atomwaffen aufgefüllt werden.
Die Verknappung habe bereits zwischen 2003 und 2007 zu einer vorübergehenden Preissteigerung um 1300 Prozent geführt, bestätigt auch das Bundeswirtschaftsministerium. Käme es zu dem von der OECD-Nuklearbehörde NEA angestrebten Ausbau der weltweiten AKW-Leistung von heute 375 auf mindestens 550 Gigawatt, wäre bereits 2025 nicht mehr genug Uran am Markt.
Die Internationale Atomenergiebehörde hatte kürzlich noch eine andere Prognose abgegeben. Demnach reicht das Uran noch für weitaus länger.