Attac-Neumitglied Heiner Geißler "Die Globalisierung läuft aus dem Ruder"
SPIEGEL ONLINE: Herr Geißler, Sie treten Attac bei. Sehen wir Sie bald bei Aktionen der Globalisierungskritiker?
Geißler: Das habe ich nicht vor. Es ist eine ideelle Unterstützung. Dass Attac für ein Recht auf gewaltfreie Demonstrationen eintritt, verdient Unterstützung - gerade gegenüber gewalttätigen Gruppierungen. Außerdem sind die Ziele in Ordnung. Attac will die Globalisierung ja nicht rückgängig machen, was eine Dummheit wäre, sondern sie human gestalten.
SPIEGEL ONLINE: Konnte Attac Sie für einen Auftritt bei den Protesten zum G-8-Gipfel in Heiligendamm gewinnen?
Geißler: Nein, ich habe einen vollen Terminkalender. Aber ich trete sehr dafür ein, vor der Weltöffentlichkeit klarzumachen, dass man in Deutschland demonstrieren kann. Das ist ein Grundrecht. Es darf nicht beeinträchtigt werden.
SPIEGEL ONLINE: Welches Signal wollen Sie mit der Mitgliedschaft bei Attac setzen?
Geißler: Man muss manchmal Flagge zeigen. Die Globalisierung läuft aus dem Ruder - da reicht ein Blick nach Afrika. Der G-8-Gipfel in Heiligendamm steht vor entscheidenden Fragen...
SPIEGEL ONLINE: ...welchen?
Geißler: Zum Beispiel vor der Frage, ob die Europäer und Amerikaner weitermachen mit den gigantischen Agrarsubventionen in ihren eigenen Ländern. Mit diesen hoch bezuschussten Nahrungsmitteln zerstören sie die Existenzgrundlange von Millionen Menschen in Afrika. Oder ob Angela Merkel sich in der Klimafrage durchsetzt gegen die Amerikaner.
SPIEGEL ONLINE: Wie kamen Sie auf die Idee, Attac beizutreten?
Geißler: Schon anlässlich des brutalen Vorgehens der italienischen Polizei beim G-8-Gipfel in Genua habe ich erwogen, beizutreten. Jetzt hat mich der Attac-Sprecher in einer Fernsehrunde gefragt, ob ich nicht Mitglied werden will. Da habe ich ja gesagt. Attac hat sich die friedliche Entwicklung der Menschheit zum Ziel gesetzt. Das halte ich für außerordentlich wichtig.
SPIEGEL ONLINE: Sind Ihre Parteifreunde mit der Attac-Mitgliedschaft einverstanden?
Geißler: Ich habe sie vorher nicht gefragt. Ich habe als CDU-Generalsekretär beim Bundesparteitag 1980 dafür gesorgt, dass Amnesty International einen Stand auf dem Parteitag eröffnen konnte. Damals hat es auch Betonköpfe gegeben, die gemeint haben, dies sei nicht vereinbar mit der Mitgliedschaft in der Union. Aber das ist ja Unsinn.
Das Interview führte Björn Hengst