Attacke gegen Ypsilanti Clement fällt Hessen-SPD in den Rücken

Schwerer Beschuss aus den eigenen Reihen: Ex-Wirtschaftsminister Clement warnt offen vor einer Wahl der SPD in Hessen. Spitzenkandidatin Ypsilanti sei eine Gefahr für die "industrielle Substanz". Erste Sozialdemokraten fordern Clement zum Parteiaustritt auf, die Jusos verlangen seinen Rausschmiss.

Berlin - Flügelkämpfe sind in der SPD nichts Ungewöhnliches, doch diese Attacke hat es in sich: Eine Woche vor der Landtagswahl in Hessen fällt der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement seiner Parteigenossin Andrea Ypsilanti voll in den Rücken - und warnt vor einer Wahl der SPD.

Die Spitzenkandidatin gilt als linksorientiert, während Clement dem rechten Parteilager zugeordnet wird. Größter Streitpunkt ist die Energiepolitik. Clement sitzt seit seinem Abschied aus der Politik im Jahr 2005 im Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power.

Ypsilanti habe sich in Interviews sowohl gegen Atomkraftwerke als auch gegen neue Kohlekraftwerke ausgesprochen, schreibt Clement in einem Beitrag für die "Welt am Sonntag". "Wer es wie sie will, der muss sich klar sein: Das geht nur um den Preis der industriellen Substanz Hessens." Dies gelte auch für ganz Deutschland, da Ypsilantis Energiekonzept offenbar über Hessen hinausgehe.

Als Alternative zu Atom- und Kohlekraft gebe es gegenwärtig nur Gas, überwiegend aus Russland, schreibt Clement. Daneben bestehe nur noch die Möglichkeit, Atomstrom aus dem Ausland zu beziehen.

Ypsilantis Pläne hätten unweigerlich zwei Folgen: Eine höhere Abhängigkeit vom Ausland und das Risiko weiterer Kostensteigerungen. Clement schlussfolgert: "Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann und wem nicht."

In der Partei hat Clements Artikel zum Eklat geführt. Der von der SPD für den Fall eines Wahlsieges designierte hessische Wirtschafts- und Umweltminister Hermann Scheer forderte Clement zum Parteiaustritt auf. "Die SPD braucht keine Ratschläge von einem ehemaligen Minister, der sich als Lobbyist an einen Stromkonzern verkauft hat", sagte Scheer. Die Kritik am hessischen SPD-Programm sei Clement offensichtlich seinem neuen Arbeitgeber RWE schuldig gewesen.

In der Sache sei Clements Kritik abwegig und politisch "peinlich". Richtig sei, dass die SPD den Atomausstieg wolle und den Bau neuer fossiler Großkraftwerke ablehne. Die Alternative sei aber der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung auf kommunaler Ebene, sagte Scheer. Dies entspricht auch dem Bundesparteitagsbeschluss vom Oktober 2007.

"Wolfgang Clement missbraucht seine frühere Führungsrolle in der SPD, indem er sie nun als bezahlter Lobbyist in klingende Münze umsetzt", schimpfte Scheer. Er führte Clements Attacke darauf zurück, dass die SPD die zu RWE gehörenden Atomreaktoren Biblis A und B abschalten möchte, während CDU-Mann Koch die Laufzeiten der Atomreaktoren verlängern will. "Wenn Clement noch einen Rest-Charakter hat, sollte er den von ihm selbst in Aussicht gestellten Parteiaustritt vollziehen", forderte Scheer.

Schon in den vergangenen Monaten hatte die SPD Clements Wortmeldungen mit Unverständnis registriert. Zuletzt hatte er indirekt mit seinem Parteiaustritt gedroht, falls sich die SPD der Linkspartei annähere.

Jusos verlangen Parteiausschluss

Ein hartes Vorgehen verlangt nun die SPD-Jugendorganisation. Die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel drohte am Abend offen mit einem Rausschmiss Clements aus der Partei: "Das Maß der Illoyalität Clements gegenüber seiner eigenen Partei ist mehr als unglaublich." Offenbar habe sich der Ex-Minister zwischen Atomlobby und SPD klar gegen die Sozialdemokratie entschieden. "Das kann nur heißen: Er muss seiner eigenen Ankündigung vom Dezember nachkommen und aus der SPD austreten. Anderenfalls kann man ihm diesen Schritt auch abnehmen."

Der hessische Grünen-Chef Tarek al-Wazir sagte nach Angaben einer Sprecherin, eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke Biblis A und B um drei Jahre würde für RWE zusätzliche Einnahmen von drei bis 3,5 Milliarden Euro bedeuten. "Schlimm genug, wenn sich sozialdemokratische Politiker nach dem Ende ihrer Amtszeit von der Energiewirtschaft kaufen lassen. Selten hat es einer so deutlich gezeigt wie Wolfgang Clement."

In jüngsten Umfragen schließt die hessische SPD zur regierenden CDU auf und liegt nur noch einen Prozentpunkt hinter ihr. Im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten hat Ypsilanti den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch sogar deutlich überholt.

wal/AP/Reuters/ddp

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren