
Cyber-Angriffe: Regierungen rüsten gegen Attacken aus dem Netz
Attacken aus dem Netz Deutschland rüstet für den Cyber-Krieg
Berlin - Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat sich dem Kampf gegen Attacken aus dem virtuellen Raum verschrieben. "Es gibt eine neue Dimension von Angriffen aus dem Netz und auf das Netz", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Allein in den letzten Wochen haben Cyber-Attacken auf Unternehmen und internationale Institutionen wie den IWF rapide zugenommen", es würden Daten in großen Mengen abgegriffen. Friedrich weiter: "Es gibt Angriffe auf Netze, die bisher als sicher galten. Denkbar sind auch Cyber-Attacken anderer Staaten."
Aus diesem Grund wird der CSU-Mann am Donnerstagmittag in Bonn das "Nationale Cyber-Abwehrzentrum" offiziell eröffnen. Deutschland rüstet sich damit für den Cyber-War. Das Horrorszenario der Experten: Unternehmensrechner, Regierungsnetzwerke, Infrastruktur, Verkehrs- und Stromnetze und Energieversorgung werden gestört oder sogar ausgeschaltet. Ein Land am Abgrund.
In der vergangenen Woche musste der Internationale Weltwährungsfonds (IWF) eingestehen, Opfer einer Cyber-Attacke geworden zu sein. Die "New York Times" berichtete, das Computersystem des IWF, in dem hochvertrauliche Daten über die Finanzsituation verschiedener Länder gespeichert sind, sei in den vergangenen Monaten wiederholt von Hackern angegriffen worden. Es habe sich um großangelegte und äußerst komplexe Cyber-Attacken gehandelt.
Weiterer, spektakulärer Fall eines Cyber-Angriffs: Vor wenigen Wochen drangen Unbekannte in das Netzwerk des Rüstungskonzerns Lockheed Martin ein. Der Konzern ist einer der größten Ausrüster des US-Militärs. Datendiebe hatten es schon in der Vergangenheit auf geheime Informationen über den neuen Stealth-Kampfjet F-35 "Lightning II" abgesehen. Der Einbruch soll allerdings bemerkt worden sein, bevor etwas gestohlen werden konnte. Bedroht sind auch Kontrollmechanismen in industriellen Anlagen. So konnte etwa im vergangenen Jahr mit dem Computerwurm Stuxnet eine iranische Atomanlage sabotiert werden.
"Wir sind gerüstet"
Innenminister Friedrich hat die Cyber-Sicherheit als "ein zentrales Thema" seiner Amtszeit bezeichnet. Das deutsche Cyber-Abwehrzentrum steht unter Federführung des bereits bestehenden "Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik" (BSI). Die Experten des Abwehrzentrums sollen bei einem Cyber-Angriff schnell ein Lagebild erstellen, Informationen bündeln und Abwehraktionen koordinieren.
"Wo immer ein Schadprogramm auftaucht, analysieren wir es im Cyber-Abwehrzentrum: Wie ist seine Wirkungsweise? Welche Gegenwehr ist denkbar? Die entwickeln wir", sagte Friedrich SPIEGEL ONLINE. Im Anschluss werde den Betroffenen ein Abwehrmittel angeboten - zum Beispiel der Wirtschaft, der Bundeswehr oder Behörden. "Falls ein Angriff dieser Art kommt, sind wir gerüstet", so Friedrich.
Die neue Einrichtung hat zunächst sechs Mitarbeiter aus dem BSI und jeweils zwei aus dem Verfassungsschutz und dem ebenfalls in Bonn schon länger arbeitenden Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Künftig sollen auch Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Bundeswehr und Zollkriminalamt mit Experten im Abwehrzentrum vertreten sein.
Das Zentrum ist entsprechend keine eigenständige Behörde, sondern eine Plattform zur Kooperation verschiedener Einrichtungen. Es ist ein Beginn. "Wir stehen jetzt in vielen Bereichen am Anfang einer Entwicklung, wir übertragen die Standards der analogen in die digitale Welt", sagte Friedrich. Ob dazu in Zukunft auch eine Art TÜV für die Sicherheit von Netzen gehören könne? Welche zusätzlichen gesetzlichen Grundlagen wir zum Schutz von Daten oder kritischer Infrastruktur benötigen, das müssen wir in den nächsten Jahren sukzessive prüfen."