Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen "Bayern sollte sich beteiligen"

Die USA bitten Deutschland, Guantanamo-Häftlinge aufzunehmen, die bayerische Regierung sagt nicht nein, will aber Bedingungen erfüllt sehen - und rechnet offenbar mit Uiguren. Deren Gemeinde in München ist schon vorbereitet.

München - Asgar Can hat an alles gedacht. Dolmetscher, Jobs, therapeutische Hilfe? Kein Problem. Seine Gemeinde sei bereit, den Landsleuten aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo "in jeglicher Hinsicht zu helfen". Can ist stellvertretender Vorsitzender des "Weltkongress der Uiguren" - eines muslimischen Turkvolkes aus der chinesischen Provinz Xinjiang . Dort gelten die Uiguren als potentielle Staatsfeinde.

In Cans uigurischer Exilgemeinde in München dagegen - mit rund 500 Mitgliedern die größte Europas - wäre alles vorbereitet. Jetzt müssen sie nur noch kommen, jene offenbar unschuldigen zehn Uiguren, die die Amerikaner nach Informationen der "Bild"-Zeitung nach sieben Jahren in Guantanamo ziehen lassen wollen - nach Deutschland.

Das aber hört sich leichter an, als es ist.

Zwar wird die Sache mit den Uiguren im politischen Berlin und Deutschlands Landeshauptstädten bereits heiß diskutiert - doch es gibt keinerlei Bestätigung. Es ist erstens unklar, ob es sich tatsächlich um Uiguren handelt und zweitens wird die Anzahl der Ex-Häftlinge, die die USA nach Deutschland schicken wollen, nicht genannt.

Nur so viel: Der Bundesregierung liege "eine konkrete, auf bestimmte Personen bezogene Anfrage der US-Regierung zur Aufnahme von Häftlingen aus dem Lager in Guantanamo vor", so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zu SPIEGEL ONLINE. Das Ministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) ist zuständig für Prüfung und Entscheidung dieser Angelegenheit - im Einzelfall und in Abstimmung mit den EU-Partnern. Dabei geht es natürlich vor allem um Sicherheitsaspekte. Zudem sei es an den Amerikanern, zu erläutern, "warum weder eine Aufnahme der Häftlinge im Herkunftsstaat noch in den USA möglich ist".

Erst kürzlich hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates angekündigt, man wolle einige der insgesamt 17, noch in Guantanamo einsitzenden Uiguren in die USA entlassen. Das traf auf den Widerstand der Senatoren im Kongress, weil kaum einer einen Ex-Guantanamo-Häftling in seinem Bundesstaat sehen will. Gates argumentierte, dass es schwierig sein würde, Ex-Häftlinge an Drittstaaten zu überstellen, wenn die USA selbst nicht bereit seien, einige zu akzeptieren.

So ist eine Aufteilung der Uiguren-Gruppe auf die USA und Deutschland denkbar. Wo genau die Ex-Häftlinge dann anlanden könnten, hängt auch von den 16 Bundesländern ab. Deren Innenminister sind in Schäubles Entscheidung miteingebunden, denn am Ende sind sie es, die die Freigelassenen aufnehmen müssen. Und da in die Prüfung auch ein möglicher Bezug zu Deutschland einbezogen wird, liegt im Falle von Uiguren die Variante München nicht fern. Zudem hatte bereits im Februar der Münchner Stadtrat - ohne dass zu diesem Zeitpunkt schon ein konkrete Anfrage aus den USA vorlag - fraktionsübergreifend die Bereitschaft der Stadt erklärt, Uiguren aufzunehmen.

Dies ist rechtlich kaum von Bedeutung, ist aber ein Signal. Und so ist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) derzeit ein gefragter Mann. Er gibt sich defensiv: "Wir werden uns sicherlich nicht bewerben um die Aufnahme dieser Leute." Uiguren-Vertreter Can hat sich mehr erhofft. Herrmanns Ausspruch sei "mit den westlichen Werten nicht vereinbar", sagt er zu SPIEGEL ONLINE. Immer wieder hätten die Deutschen Amerika in Sachen Guantanamo kritisiert und über Menschenrechte geredet. Jetzt müsse aber gehandelt werden.

Tatsächlich ist die bayerische Position differenzierter, als es auf den ersten Blick scheint. Denn Innenminister Herrmann lehnt eine Aufnahme von Uiguren nicht im Grundsatz ab, sondern will die Gefahrenlage sondieren: "Zunächst einmal muss unzweifelhaft geklärt sein, dass von den uigurischen Häftlingen in Guantanamo keinerlei terroristische Gefahr ausgeht. Hier stehen die USA weiter in der Verantwortung", so der CSU-Politiker zu SPIEGEL ONLINE. Dies könne den Amerikanern "niemand abnehmen". Herrmann weiter: "Wenn die USA zweifelsfrei geklärt haben, dass Häftlinge unschuldig sind, müssen diese Menschen ohnehin sofort auf freien Fuß gesetzt werden." Auch darum müssten sich "die USA vorrangig selber kümmern".

Heißt im Umkehrschluss: Herrmann blockiert nicht, sondern stellt Bedingungen. Möglicherweise steht am Ende ein Kompromiss, den der liberale Koalitionspartner schon mal so skizziert: "Bayern muss ja nicht alle zehn Uiguren aufnehmen, aber Bayern sollte sich beteiligen", so Andreas Fischer, der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, zu SPIEGEL ONLINE: "Ich denke, dass man sich da mit der CSU einigen könnte." Auch Asgar Can wäre damit zufrieden: "Zehn oder einen Teil der Gruppe aufzunehmen, das ist ein Zeichen von Humanität."

Während sich im Bundestag Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach gegen und der SPD-Außenpolitiker Niels Annen für eine Aufnahme von Ex-Gefangenen aussprachen, gibt es auch aus SPD-Länderministerien kritische Stimmen. So sagte der sachsen-anhaltinische Innenminister Holger Hövelmann, die USA hätten das Problem geschaffen und müssten es nun auch selbst lösen: "Ich kann die Notwendigkeit nicht erkennen, dass für eine solch überschaubare Zahl andere Länder zur Hilfe eilen müssen."

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