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Aufregung um Air-Berlin-Flug Vermeintliche Flugzeugbombe gibt Rätsel auf

Alarm im namibischen Windhoek: Vor dem Start einer Air-Berlin-Maschine nach München hat die Polizei verdächtiges Gepäck entdeckt. Offen ist, ob wirklich Gefahr bestand - oder lediglich ein Sicherheitstest mit einer Bombenattrappe durchgeführt wurde.

Berlin - Die 296 Passagiere saßen um kurz vor neun Uhr am Mittwochmorgen bereits angeschnallt im Airbus 330 und warteten auf den Start, als sich der Kapitän meldete. Allerdings nicht mit dem üblichen Willkommensgruß und ein paar Informationen zum bevorstehenden Flug vom namibischen Windhoek ins heimatliche München. Die Worte aus dem Cockpit waren beunruhigend. Man habe ein verdächtiges Gepäckstück entdeckt. Außerhalb der Maschine zwar, dennoch mussten die Touristen aus Deutschland und Österreich den Flieger wieder verlassen.

Namibischen Sicherheitskräften war bei der Durchleuchtung des Gepäcks eine ungewöhnliche Konstruktion aufgefallen: Batterien, die über Kabel mit einer Art Zünder und einer laufenden Uhr verbunden waren. Von einem möglichen Sprengstofffund ist bisher nicht die Rede. Flug AB7377 jedoch wurde vorsichtshalber gestoppt.

Thomas de Maizière

Noch ist nicht klar, ob das verdächtige Gepäckstück - nach Angaben der namibischen Polizei handelte es sich um eine Laptoptasche - überhaupt an Bord der Air-Berlin-Maschine sollte. Das Bundeskriminalamt (BKA) erklärte in seiner Mitteilung vom Donnerstagmorgen, es sei "bei der Verladung des Gepäcks" in den Airbus isoliert und anschließend kontrolliert worden. Auch Innenminister sagte am Mittag am Rande der Innenministerkonferenz in Hamburg, es spreche viel dafür, "dass das Gepäckstück in einer Maschine transportiert werden sollte, die nach München fliegen sollte".

Gepäckstück "ungelabelt"?

Die Fluggesellschaft widersprach jedoch: Das Gepäckstück sei nicht explizit für den Flug nach Deutschland bestimmt gewesen, heißt es dort. Eine Air-Berlin-Sprecherin sagte, es sei in einer Halle des Hosea-Kutako-Flughafens in Windhoek entdeckt worden, in der zuvor auch die Koffer und Taschen der Passagiere nach München abgefertigt wurden. Das fragliche Teil sei aber "ungelabelt", also nicht mit Informationen zu Ziel oder Eigentümer versehen gewesen. Die Passagiere hätten den Flieger nur verlassen müssen, weil der Fund zeitlich mit dem geplanten Start von AB7377 zusammengefallen sei.

Auch die namibische Flughafengesellschaft konnte einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verdacht und dem Flug nach München nicht bestätigen. Die Polizei in Windhoek gab sich ebenfalls verschlossen.

Rätselhaft ist auch, was es mit einem angeblichen Aufkleber auf sich hat, der auf dem Gepäckstück angebracht gewesen sein soll, von dem die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Auf dem Zettel habe das Wort "Test" gestanden, heißt es. Von einer Übung wollte eine Flughafen-Sprecherin allerdings nichts wissen. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gibt es aber auch Hinweise, dass es sich um ein Testgerät gehandelt haben könnte, um Sicherheitsmaßnahmen zu prüfen.

Bombenattrappe als Teil eines Testlaufs?

Auch dem ZDF liegen Informationen vor, wonach es sich um eine Bombenattrappe gehandelt haben könnte. Die Aktion sei offenbar ein Testlauf gewesen, um die Aufmerksamkeit der Gepäckkontrolle zu testen, berichtete der Sender am Donnerstagabend unter Berufung auf nicht näher genannte amerikanische Sicherheitskreise. Es handele sich bei dem Fund um einen industriell gefertigten Sprengsatz speziell für Sicherheitstests. Wer diesen Test durchgeführt habe, sei derzeit nicht bekannt.

Das BKA und Innenminister de Maizière erklärten am Donnerstag übereinstimmend, es sei bisher nicht geklärt, ob die namibischen Sicherheitskräfte tatsächlich einen zündfähigen Sprengsatz aus dem Verkehr gezogen haben. Das BKA hat inzwischen seinen zuständigen Verbindungsbeamten aus Südafrika nach Namibia zur Unterstützung der dortigen Behörden entsandt. Weitere Experten aus Deutschland sollen folgen. Möglicherweise wird sich erst in ein paar Tagen zeigen, ob überhaupt eine Gefahr bestanden hat.

"Es war beängstigend"

Sicherheitsvorkehrungen

Terrorwarnung

"Die Kontrollen haben jedenfalls funktioniert", zeigte sich de Maizière zumindest mit den in Windhoek zufrieden. Der CDU-Politiker hatte erst am Mittwoch öffentlich eine ungewöhnlich deutliche und konkrete herausgegeben und von einem möglicherweise in Deutschland noch für Ende November geplanten Anschlag gesprochen.

Sollten die Urlauber davon bei ihrem Aufenthalt in der ehemaligen deutschen Kolonie noch nichts mitbekommen haben, so wurde ihnen die erhöhte Alarmbereitschaft nun in besonderer Weise vor Augen geführt. Mehrere Stunden mussten sie nach dem Verlassen des Flugzeugs in der Wartehalle des Flughafens ausharren. Auch das Gepäck wurde noch einmal aus der Maschine geholt, jeder Passagier musste seine Koffer identifizieren, die dann noch einmal durchleuchtet wurden.

Auch Sprengstoff-Spürhunde kamen zum Einsatz, am Gepäck und offenbar auch im Flugzeug - ohne anzuschlagen. "Es war beängstigend", erinnert sich ein Passagier aus Münster in der "Borkener Zeitung", "aber wir wollten einfach nur nach Hause. Ich bin im Nachhinein ganz fertig."

Erst mit mehr als sechs Stunden Verzögerung hob der Airbus schließlich um 14.58 Uhr in Windhoek ab. Nach einer Zwischenlandung auf der tunesischen Insel Djerba ging es mit einer frischen Crew weiter zum Zielort München, wo der Flieger gegen 0.30 Uhr in der Nacht aufsetzte.

Auch dort war der lange Trip noch nicht zu Ende. Denn am Franz-Josef-Strauß-Airport wurden Passagiere und Gepäck noch einmal von der Polizei kontrolliert.

Mit Material von Reuters und dpa
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