
Rüstung: Tödliche Exportschlager - made in Germany
Widerspruch gegen Reformvorschlag Röslers Pläne für Waffenexporte sorgen für Wirbel
Berlin - Das U-Boot "Dolphin", der Kampfpanzer "Leopard 2", die Maschinenpistole vom Typ MP5: Mit technisch ausgefeiltem Kriegsgerät machen hiesige Waffenfirmen blendende Geschäfte. In den weltweiten Exportstatistiken liegt Deutschland inzwischen auf Platz drei - und es könnte sein, dass sich die Lage für die Rüstungskonzerne bald noch einmal deutlich verbessert.
Denn die Bundesregierung plant, die Regeln zur Ausfuhr von Waffen und Rüstungsgütern im Sinne der Industrie zu vereinfachen. Das geht nach SPIEGEL-Informationen aus zwei Referentenentwürfen des Bundeswirtschaftsministeriums für eine Reform des Außenwirtschaftsrechts hervor. Die Vorschriften regeln den größten Teil des deutschen Exports von Wehrtechnik. Ziel sei es, "das Außenwirtschaftsrecht zu entschlacken" und "deutsche Sondervorschriften aufzuheben, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen", heißt es demnach in den Entwürfen.
Die Bundesregierung dementierte eilig. "Die Darstellung ist falsch", erklärte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kurz und bündig. Die Regeln für den Rüstungsexport seien durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte und jetzt vorgelegte Novelle "ausdrücklich nicht berührt". Es bleibe bei den bewährten Grundsätzen, wonach die Ausfuhr von Rüstungsgütern "im jeweiligen Einzelfall unter sorgfältiger Abwägung vor allem der außen-, sicherheits- und menschenrechtspolitischen Argumente geprüft wird".
Doch ganz so eindeutig ist die Lage nicht. Das Außenwirtschaftsrecht betrifft den gesamten Außenhandel und damit auch den Handel mit Rüstungsgütern. Anders als von Röslers Ministerium nahegelegt, fehlt in den Entwürfen jeder Hinweis darauf, dass die Novelle auf den Export von Rüstungsgütern keine Anwendung finden soll. Im Gegenteil: In den Entwürfen beschäftigen sich ganze Passagen mit Rüstungsgütern und den Eingriffsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber auf diesem Feld hat.
Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen sollen beseitigt werden
Die Entwürfe passen deutsches Recht an oft weniger restriktive EU-Regeln an. Dies hatte bereits zur Folge, dass Rüstungsexporte aus Deutschland in andere EU-Staaten nicht mehr als Ausfuhr, sondern als "Verbringung" betrachtet werden, für die erleichterte Genehmigungsvoraussetzungen gelten.
Schon der Koalitionsvertrag von 2009 betont die Notwendigkeit, das Außenhandelsrecht in Europa zu harmonisieren. Mit Blick auf den Rüstungsexport heißt es dort: "Wir treten für faire Wettbewerbsbedingungen in Europa ein." Union und FDP versprachen damals, bei der Reform des Außenwirtschaftsrechts Vorschriften zu streichen, die "deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen." Eine Formulierung, die sich jetzt auch in den Referentenentwürfen wiederfindet.
Doch auch nationale Regeln, die den Handel mit Wehrtechnik betreffen, könnten den Entwürfen zufolge künftig anders aussehen. Die "Straf- und Bußgeldbewehrungen" sollen "grundlegend überarbeitet und fokussiert" werden, heißt es. "Fahrlässige Verstöße" etwa werden "nunmehr grundsätzlich bußgeldbewehrt". Mit anderen Worten: Kann einem Exporteur nicht nachgewiesen werden, dass er vorsätzlich gegen das Gesetz verstößt, dürfte er künftig mit einer Geldstrafe davon kommen. Auch diese Vorschrift soll für den gesamten Außenhandel gelten - den Bereich der Rüstungsgüter inklusive.
Kritiker sind alarmiert. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vor, "Geschäfte mit dem Tod" zu machen. Unangenehmer für die Bundesregierung ist, dass sich auch innerhalb der Koalitionsparteien Unmut über die Gesetzesnovelle regt. "Waffen sind kein Gut wie jedes andere", sagte CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz SPIEGEL ONLINE. "Aus guten Gründen sollte unsere Rüstungsexport-Politik restriktiv bleiben", mahnt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.
Polenz ist grundsätzlich unzufrieden damit, wie die Regeln für Rüstungsexporte politisch erarbeitet werden. "Die Federführung über die Exportrichtlinien sollte nicht beim Wirtschaftsministerium, sondern beim Außen- und Verteidigungsministerium liegen", fordert der Christdemokrat. Die üblichen Kriterien für Exportverfahren, wie etwa Fragen des internationalen Wettbewerbs, der Investitionen oder der Arbeitsplatzsicherung, müssten bei Rüstungsexporten in den Hintergrund treten. "Bei Waffenlieferungen bedarf es immer einer besonders sorgfältigen Prüfung unter außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten", sagte Polenz. Gerade Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sei hier in der Pflicht. Dieser habe sich "die weltweite Abrüstung auf die Fahnen geschrieben".
Heikle Rüstungsdeals sorgen für Unmut
Die Kritik ist für die Bundesregierung vor allem deswegen heikel, weil die Debatte um Rüstungsexporte zuletzt eher in die entgegengesetzte Richtung geführt wurde. Statt die Regeln zu vereinfachen, war zuletzt verstärkt gefordert worden, die Bestimmungen zu verschärfen, mindestens aber die Kontrolle über Rüstungsgeschäfte zu stärken und das Verfahren transparenter zu machen.
Hintergrund ist vor allem der Streit über eine mögliche Lieferung von Kampfpanzern ins autoritär geführte Saudi-Arabien. Der vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat grundsätzlich gebilligte Export unter Einbeziehung Spaniens hatte im vergangenen Jahr für erhebliche Aufregung gesorgt und eine Debatte über die Leitlinien der deutschen Außenpolitik entfacht. Noch immer ist die heikle Lieferung in der Schwebe, Bundeswehr und Industrie erproben derzeit aber einen "Leopard 2" in den Wüsten Saudi-Arabiens.
Erst kürzlich war ein anderes mögliches Rüstungsgeschäft in den Blickpunkt geraten. Am Rande eines Staatsbesuchs von Kanzlerin Angela Merkel in Indonesien hatte der dortige Vize-Verteidigungsminister überraschend erklärt, 100 deutsche Kampfpanzer kaufen zu wollen. Die Bundesregierung dementierte umgehend, über Rüstungsgeschäfte sei bei dem Besuch nicht gesprochen worden, erklärte Merkels Sprecher. Die genauen Hintergründe blieben unklar.
Auch in der Union wünscht man sich angesichts des oft undurchsichtigen Verfahrens bei heiklen Waffenlieferungen inzwischen neue Regeln. Nötig sei jetzt nicht eine Lockerung von Rüstungsexportregeln, sondern eine transparentere Praxis von Lieferungen in Spannungsgebiete, fordert CDU-Außenpolitiker Polenz.
"Die Bundesregierung selbst", mahnt er, "muss ein Interesse daran haben, dass es in diesen Fragen möglichst wenig Anlass für Spekulationen und Verschwörungstheorien gibt."