Ausländerpolitik Experten kritisieren Abschiebepraxis als zu lasch

Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern übt heftige Kritik an der deutschen Abschiebepraxis. Der Expertenbericht moniert nach SPIEGEL-Informationen, dass weder Politiker noch Behörden hart genug durchgreifen. 2010 habe nur ein Bruchteil der Ausreisepflichtigen das Land tatsächlich verlassen. 

Hamburg - In einer schonungslosen Bilanz hat eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern die deutsche Abschiebepraxis kritisiert. Im Zentrum ihres Erfahrungsberichts steht nach Informationen des SPIEGEL der Vorwurf, es fehle Politikern und Behörden die Standhaftigkeit, Ausländer in ihre Heimatländer zurückzuschicken, selbst wenn diese vor Gericht in allen Fällen gescheitert seien. Dies habe dazu geführt, dass 2010 nur 14,8 Prozent der Ausreisepflichtigen die Bundesrepublik verlassen hätten, darunter 5,7 Prozent (930 Personen) auf dem Weg der Abschiebung.

"Es ist aber nicht nur die Landes- und Bundespolitik, deren Unterstützung vielfach vermisst wird", heißt es in dem 16-Seiten-Papier, das Landesbeamte und Bundespolizisten im Auftrag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Rückführung" verfasst haben und das dem Bundesinnenministerium vorliegt. Auch Bürgermeister und Landräte brächen Abschiebungen "bei entsprechendem Druck" von Lobbygruppen und Medien immer wieder "in letzter Minute ab". Allenfalls bei Straftätern oder Terrorverdächtigen gebe es in der Öffentlichkeit noch Rückhalt, Ausländer gegen ihren Willen aus dem Land zu weisen.

Hinzu komme, dass das Personal in Ausländerbehörden überlastet sei, die Mitarbeiter oft gegen ihren Willen dorthin versetzt würden und auch nur kurze Zeit blieben. Daher seien viele Beschäftigte mit der komplizierten Rechtslage bei Abschiebungen schlicht überfordert und gingen lieber den "Weg des geringsten Widerstands", wodurch sie die Abschiebung hinauszögerten.

Wenn es aber tatsächlich dazu kommen soll, tauchten immer mehr Betroffene vorher ab. Das hänge auch mit Verfahrensschritten zusammen, die "einer Aufforderung zum Untertauchen" gleichkämen. So würden Ausreisepflichtige in vielen Fällen vor einem Haftantrag aufgefordert, sich selbst zu stellen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren