Auslandspresse "Große Koalition wäre logisch"
"Der Standard" (Österreich): "Da sie selbst ohnehin in den vergangenen Jahren immer weiter nach links gerückt ist, wäre eine Große Koalition aus Merkels Sicht nur logisch. Doch es ist klar, dass die Sozialdemokraten sich zunächst zieren. Sie sind 2009 mit extrem schlechtem Ergebnis (nur 23 Prozent) aus der Großen Koalition wieder herausgekommen. Viele sagen sich nun: Wenn wir wieder mit Merkel in ein Bündnis gehen, dann sind wir bis 2017 politisch tot. Das könnte zutreffen, wenn die SPD sich bei Erstellung des Koalitionsvertrags über den Tisch ziehen lässt und zu viel nachgibt. Aber dieses Szenario muss nicht eintreten. Denn ein entscheidender Punkt hat sich verändert. Die Linke ist für viele in der SPD nicht mehr das Schreckgespenst, das sie einmal war."
"Die Presse" (Österreich): "Merkel muss nun ein Bündnis schließen. Die Große Koalition? Die SPD muss, von Mindestlohn bis Reichensteuer, um ihren Markenkern streiten. Also Schwarz-Grün? Mental trennt da ein tiefer Graben. Aber inhaltlich? Die Grünen müssten einen Ballast wesensfremder Themen abwerfen, von linken Steuerplänen bis zu jakobinischer Volkserziehung. Ökologisch und finanziell nachhaltig, das klingt rund. Viele grüne Wähler sind konservativer, als die Parteiführung es wahrhaben will. Die Grünen könnten die Energiewende steuern und die Union gesellschaftspolitisch antreiben. Vielleicht wächst dann etwas zusammen, was im Grunde zusammengehört."
"Le Figaro" (Frankreich): "In Paris möchten manche Politiker glauben, dass Angela Merkel in einer Großen Koalition mit der SPD die Appelle an ihre Partner in Europa für eine sparsame Haushaltsführung mäßigen wird. Das ist möglich, doch die (französischen) Sozialisten dürfen auch nicht zu viel erwarten. Ein Deutscher wird nicht nachlässig, auch wenn er ein wenig vom Pfad der Tugend abweicht. Für einen Sozialisten in Frankreich kann man dieses Argument leider umkehren. Wenn er vorgibt, weniger nachlässig zu sein, wird er dadurch nicht tugendhaft. Die Regierung (in Paris) schwört, sparsam zu sein? Berlin und Brüssel zweifeln. (Präsident) François Hollande hat nicht mehr viel Zeit, um zu beweisen, dass sie sich irren."
"Le Monde" (Frankreich): "Angela Merkel tritt eine dritte Amtszeit an. Dies ist mehr als politische Kontinuität. Dies ist für sie auch eine gewaltige persönliche Bestätigung. In den nächsten vier Jahren wird das Deutschland Angela Merkels Europa beherrschen. Mehr als jeder andere Politiker unseres Nachbarlands verkörpert die Bundeskanzlerin ihr Land zu diesem beginnenden 21. Jahrhundert. Sie ist vorsichtig, pragmatisch und immer auf der Suche nach einem Kompromiss. Das schafft eine ständige Übereinstimmung mit ihren Mitbürgern. Sie ist die Quintessenz eines gemäßigten Zentrismus, an dem kein Extremismus nagt - weder links, noch rechts. Glückliches Land und Ausnahme in Europa!"
"Dagsavisen" (Norwegen): "Die Wahl in Deutschland war ein strahlender Triumph für Angela Merkel. Aber jetzt wartet ein Alltag mit Herausforderungen, die sie im Wahlkampf unter den Teppich gekehrt hat - wie neue Kredite für die Krisenländer im Süden und Deutschlands eigene Budgetprobleme. Merkel ist unbestrittene Wahlsiegerin. Aber sie hat damit gewonnen, aus Furcht vor den eigenen Wählern möglichst still zu stehen. (...) Die Geldkrise im Süden, nicht nur in Hellas, wird neue und teure Unterstützungsmaßnahmen erfordern. Hier ist Deutschland gefordert, mehr Geld bereitzustellen. Merkel hat nicht gewagt, das zu sagen. Und hätte sie es getan, wäre die Protestpartei Alternative für Deutschland zweifellos in den Bundestag gewählt worden."
"De Volkskrant" (Niederlande): "Für Deutschland und damit für Europa ist der Sieg von Angela Merkels CDU (und der bayerischen Schwesterpartei CSU) einstweilen eine gute Nachricht. Sie verheißt politische Stabilität im wichtigsten Mitgliedsland der EU und Kontinuität in der europäischen Krisenpolitik. Die Bildung einer großen Koalition mit der SPD, der anderen Volkspartei, die gewonnen hat (wenn auch in geringerem Ausmaß), dürfte in dieser Hinsicht keine negativen Auswirkungen haben. Denn gerade im Hinblick auf Europa sind sich beide Parteien bemerkenswert einig."
"La Stampa" (Italien): "Die Volksweisheit sagt, dass die Deutschen die Italiener lieben, aber nicht schätzen, während die Italiener die Deutschen schätzen, aber nicht lieben. Da muss etwas Wahres dran sein. Am Tag nach der Wahl haben wir sie aber nicht nur geschätzt, sondern auch ein wenig beneidet. Man wird sagen: Das ist zu simpel, sie können immerhin in aller Ruhe jetzt Koalitionen bilden, weil sie in der wesentlichen Partei von Mitte-Rechts eine Merkel haben und nicht etwa einen Berlusconi, und weil aus der Mitte-Links-Partei die Ex-Kommunisten seit langem verschwunden sind. Auch darin liegt etwas Wahres. Man täuscht sich allerdings, wenn man sagt, wir Italiener beneideten die Deutschen jetzt ein wenig. Denn wir beneiden sie sogar sehr."
"Trud" (Bulgarien): "Sollte man Merkels Kette glauben, zieht sie eine Koalition mit den Grünen vor. In der Wahlnacht trat die Kanzlerin mit einer Kette aus schwarzen Steinen mit grünlichen Perlen auf. (...) Jetzt steht sie vor schwierigen Verhandlungen über eine Regierungskoalition. Keiner weiß, wie sie aussehen wird, doch es ist sicher, dass es eine Regierung geben wird. Keine politische Kraft würde Neuwahlen verlangen - das ist in Deutschland ausgeschlossen. Wenn die gewünschte Koalition nicht gebildet werden kann, werden immer Kompromisse mit den politischen Plattformen gemacht, bis es letzten Endes zur Formierung eines Kabinetts kommt."
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