Besuch in Washington Westerwelle, der Marathonmann

Westerwelle in Washington: Es geht um das eine Thema, Syrien
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/ AFPJohn Kerry war schon einmal US-Präsidentschaftskandidat. Außenminister ist er aber erst seit knapp einem halben Jahr. Guido Westerwelle war einmal ein Oppositionspolitiker. Außenminister ist er seit vier Jahren. Sollte Schwarz-Gelb im September wiedergewählt werden, dürfte es für Westerwelle eine zweite Amtszeit geben. Damit rechnen sie in der Führung der Liberalen. Er selbst hat sich, öffentlich zumindest, dazu noch nicht geäußert. Wer Westerwelle an diesem heißen und feuchtwarmen Tag in Washington beobachtet, hat den Eindruck - der Job macht ihm Spaß.
Im mit Säulen und Gemälden ausgeschmückten, sehr engen Pressesaal des State Department wird Westerwelle von Kerry mit fast schon enthusiastischen Worten begrüßt. Es sei eine "übergroße Freude", sagt Kerry, ihn wieder zu sehen. Barack Obamas Außenminister erinnert an seine Visite im Frühjahr in Berlin, es war seine zweite Station in Europa nach seiner Amtsübernahme, auch das ein Zeichen.
Kerry gilt als einer im State Department, der europafreundlich ist, hat einen Teil seiner Kindheit im geteilten Berlin verbracht, später in Paris studiert. So preist er denn die "wundervolle" Partnerschaft mit Deutschland, lobt Berlins "führende Rolle" in Afghanistan. Die Beziehungen sind gut.
Auf Englisch ermahnt Westerwelle die Russen
Dann geht es zu den tagesaktuellen Themen. Um Irans Nuklearprogramm. Die Uhr ticke, wiederholt Kerry seine Mahnung an die Adresse Teherans. Vor allem aber dreht sich das Treffen um Syrien, die geplante Friedenskonferenz in Genf. Täglich gibt es neue Nachrichten. Russland will S-300-Abwehrraketen dem Assad-Regime liefern. Kerry sagt, das sei "nicht hilfreich". Westerwelle wird sogar noch deutlicher. Auf Englisch mahnt er Moskau: "Wir sagen den Russen: Gefährdet nicht die Konferenz in Genf." Die Lieferung der Waffen an das "Assad-Regime" sei "völlig falsch". Er sagt das sehr bestimmt. Es wird eine der wichtigsten Nachrichten dieses Tages.
Westerwelle als Außenminister - das ist eine erstaunliche Wandlung. Anfangs belächelt, auch in der eigenen Partei, hat er das Amt schätzen gelernt, sich ihm nach seiner Ablösung als FDP-Parteichef vor zwei Jahren regelrecht verschrieben. Er ist Zehntausende Kilometer gereist, in den vergangenen Wochen absolvierte er ein Marathonprogramm, das dem seines Mentors Hans-Dietrich Genscher, des großen früheren FDP-Außenministers, fast schon gleichkommt.
Er war in Israel und Algerien, wenig später in Jordanien, zwischendurch für eine kräftezehrende Nachtsitzung auf dem EU-Außenministertreffen in Brüssel. Jetzt ist er auf einer Reise, die ihn zunächst nach Kanada führte, dann in die USA und nach dem Besuch bei Kerry nach Mexiko, um am Wochenende wieder zurück in die USA zu fliegen, zur Uno nach New York. Kaum aus dem Flieger, ist Westerwelle auch schon wieder drin.
Schwierige Verhandlungen über das Freihandelsabkommen
In Washington geht es auch um den anstehenden Besuch des US-Präsidenten in Berlin. Obama kommt am 18. und 19. Juni in die deutsche Hauptstadt. Es wird ein Großereignis werden, zumindest aus deutscher Sicht. Details werden in Washington nicht genannt. Kerry sagt, der US-Präsident freue sich auf seinen Besuch, Westerwelle fügt hinzu: "He is very welcome."
Obamas Besuch in Berlin wird vom Bürgerkrieg in Syrien überschattet sein. Niemand weiß, ob bis dahin schon die Friedenskonferenz steht. Kerry betont, man hoffe, alle Parteien zu einer friedlichen Lösung bewegen zu können. "Die beste Lösung für Syrien ist eine politische Lösung", sagt der US-Außenminister.
Immer wieder Syrien
Doch die Friedenskonferenz, um die sich die USA und Russland bemühen, steht auf der Kippe. Die syrische Opposition hat gerade erklärt, nicht an den Verhandlungstisch zu wollen. Es ist ein Pokern, ein Zerren. Schon am Tag zuvor, in Kanadas Hauptstadt Ottawa, ist Westerwelle von der Nachricht überrascht worden, dass die syrische Opposition Genf fernbleiben möchte. Er hat daraufhin, an der Seite des kanadischen Außenministers, mahnende Worte an den syrischen Nationalkongress gerichtet - sie sollten sich ihrer "Verpflichtung und Verantwortung" bewusst sein. Westerwelle ahnt wie viele Beobachter, dass die Konferenz scheitern könnte, aber will wenigstens die Chance nicht unversucht lassen. Da ist er sich mit Kerry einig.
Syrien, immer wieder Syrien. Es ist das Thema, das Westerwelle seit zwei Jahren begleitet. Westerwelle will nicht noch einmal überrascht werden, als die USA sich wie im Falle Libyens plötzlich auf die Seite Frankreichs und Großbritannien schlugen und die Nato-Luftoperationen gegen Libyen begannen. Damals wurde Westerwelle gescholten, als sich Deutschland im Uno-Sicherheitsrat der Stimme enthielt. Erst kürzlich hat er im FDP-Präsidium eine Lageanalyse geliefert, die ein Teilnehmer als "düsteres Szenario" beschrieb. Syrien, so glaubt Westerwelle, könnte sich zu einer Art zweitem Irak entwickeln - mit Auswirkungen auf die Region, auf das nicht minder instabile Jordanien, auf die Türkei.
Auf dem Außenministertreffen in Brüssel Anfang der Woche hat er sich mit Verve hinter den Kulissen dafür eingesetzt, dass wenigstens die Wirtschaftssanktionen und Maßnahmen gegen führende Mitglieder des Assad-Regimes aufrechterhalten blieben. Das Waffenembargo an Syrien konnte die EU wegen ihrer Uneinigkeit nicht verlängern. Dass die EU dabei insgesamt kein gutes Bild abgab, sich als zerstrittener Haufen zeigte, das weiß Westerwelle nur allzu gut.
Immerhin: Vor dem Beginn der Friedenskonferenz will keiner der EU-Staaten Waffen an die Rebellen liefern. Das sagt Westerwelle im US-Außenministerium klar und deutlich. Er richtet seinen Satz direkt an die amerikanischen Bürger, erklärt ihn in die Kameras der US-Sender hinein. Es ist ihm wichtig, dass zu betonen.
Dann, nach knapp einer halben Stunde, ist die Pressekonferenz vorbei. Westerwelle muss wieder in den Flieger. Mexiko-City wartet. Und Syrien fliegt in Gedanken immer mit.