Außenpolitik Schröder entdeckt Afrika
Berlin - Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Friedbert Pflüger stichelte. Das sei der erste Besuch des Kanzlers auf dem schwarzafrikanischen Kontinent in fünf Jahren.
In der Tat - lange hat es gedauert, bis sich Gerhard Schröder dem Kontinent mit einer eigenen Rundreise annimmt. Eigentlich war das schon in der vergangenen Legislaturperiode geplant. Doch dann kam Mitte November 2001 die Vertrauensfrage Schröders, mit der er die rot-grüne Koalition zwang, die Beteiligung der Bundeswehr am weltweiten Anti-Terrorkampf, vor allem in Afghanistan, zu unterstützen. Schröder musste in Berlin bleiben, die Reise wurde in letzter Minute abgesagt.
Auf den Umstand, dass der Kanzler eigentlich schon reisen wollte, aber wegen der damaligen innenpolitischen Lage nicht konnte, wurde am Donnerstag in Regierungskreisen großen Wert gelegt. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass Schröder ja beim Gipfel der EU mit der Afrikanische Union (AU) in Kairo dabei war sowie beim Spitzentreffen zur nachhaltigen Entwicklung in Südafrika.
Oft ist Schröders Regierung, auch Außenminister Joschka Fischer, in der Vergangenheit vorgehalten worden, sich nicht wirklich für Afrika zu interessieren. Das hat sich zumindest optisch seit der Wiederwahl 2002 geändert. Der Außenminister war im Oktober in Südafrika und Namibia, das in diesen Tagen des vor 100 Jahren durch die deutschen Kolonialtruppen verübten Völkermordes an den Herero gedenkt. Nun tritt am Sonntag Schröder zu einer sechstägigen Reise an, begleitet von einer 23-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Die Tour bringt ihn nach Äthiopien, Kenia, Südafrika und Ghana. Im März folgt schließlich Bundespräsident Johannes Rau mit seiner Visite in Nigeria und Tansania.
So viel Afrika war seit langem nicht mehr in der deutschen Außenpolitik. "Afrika geht uns Europäer, geht uns Deutsche direkt und unmittelbar an", hieß es am Donnerstag in Regierungskreisen. Es gehe nicht nur um Entwicklungshilfe, sondern auch um Sicherheitspolitik. Das Problem Afrikas seien nicht starke Staaten, die ihre Nachbarn bedrohten, sondern zunehmend schwache Staaten, durch deren Zerfall Probleme wie Terrorismus enstünden, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Selbstbewußtsein ist in Berlin durchaus angesagt: Afrikapolitik dürfe man nicht nur den früheren Kolonialmächten überlassen, sondern wolle auch gerade als europäische Mittelmacht dort tätig werden.
So wird denn auch in Kenia der Kanzler eine engere Zusammenarbeit der Nachrichtendienste beider Länder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus vereinbaren. Kenia ist ein Land, das 1998 durch den schweren Anschlag auf die US-Botschaft erschüttert wurde. Bei dem Anschlag in Nairobi starben rund 300 Menschen. Kenias demokratische Koalitionsregierung soll die Entwicklungshilfe für 2004 und 2005 auf zusammen 50 Millionen Euro verdoppelt werden. Zudem erhält das Land eine "privilegierte Partnerschaft". Kenias seit etwas mehr als einem Jahr agierende neue Regierung hat aus Sicht der Bundesregierung eine erfreuliche Entschlossenheit beim Kampf gegen Korruption gezeigt, vor allem durch die Entlassung belasteter Personen in Polizei und Justiz. In Nairobi wird Schröder der kenianischen Führung um Präsident Mwai Kibaki die Ausbildung der Polizei durch deutsche Sicherheitskräfte anbieten.
Für die Regierung soll mit der Reise auch deutlich gemacht werden: Afrika ist nicht nur ein Kontinent der Krisen, er sei auch im "Aufbruch". Reformfreudige Regierungen, die auf Demokratie und Transparenz setzen, sollen unterstützt werden. Von einer neuen "afrikanischen Renaissance" war am Donnerstag in Berlin die Rede. Als ein hoffnungsvolles Zeichen wird im Kanzleramt die im Sommer 2002 gegründete Afrikanische Union (AU) gewertet. Ihrem Sitz im äthiopischen Addis Abeba wird Schröder eine Visite abstatten und bei dieser Gelegenheit eine "afrikapolitische Grundsatzrede" halten. Berlin, so heißt es, wolle "noch mehr tun, um regionale Bündnisse zu fördern."
Das Engagement Deutschlands in Afrika könnte in Zukunft auch neue Formen annehmen - wenn auch im bescheidenen Umfang. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller hatte vor Weihnachten angeregt, deutsche Soldaten zu einer Uno-Friedenstruppe in den Sudan zu entsenden. Dort herrscht seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg. Im Kanzleramt wurde am Donnerstag erklärt, man "sehe sicherlich nicht die Entsendung deutscher Truppen in den Sudan."
Die Bundeswehr sei durch derzeitige Auslandseinsätze ausgelastet, das jedes weitere Engagement nicht zulasse. Wenn aber im Sudan im Zusammenhang mit den Friedensgesprächen ein Waffenstillstand unter Uno-Mandat zustande komme, dann sei es denkbar, dass "ein bis zwei Offiziere der Bundeswehr" in die Waffenstillstandskommission entsandt werden könnten. Im "wesentlichen" werde man sich im Sudan aber auf "materielle Hilfe" für die Nachkriegszeit beschränken, hieß es ausdrücklich.
Kritik der Opposition
Das neu erwachte Interesse am schwarzen Kontinent macht auch vor der CDU/CSU-Fraktion nicht halt. Arnold Vaatz, stellvertretender Fraktionschef der CDU/CSU, Friedbert Pflüger, deren außenpolitischer Sprecher, Christian Ruck, Sprecher für Entwicklungspolitik und Hermann Gröhe, zuständig für Menschenrechte, fanden am Donnerstag Zeit, ihre "Erwartungen Afrika-Reise des Bundeskanzlers" vorzutragen. Tenor: Noch haben wir nichts zu kritisieren, aber das wird schon noch kommen.
Ein bisschen Kritik war dann aber doch zu hören. Die bisherige deutsche Afrikapolitik werde weder den Interessen des Kontinents noch den deutschen Interessen gerecht, bemängelte Ruck. Zu unkoordiniert werkelten Auswärtiges Amt und Entwicklungshilfeministerium herum, zu wenig werde getan, um den Kontinent zu stabilisieren. Dabei sei Stabilität für deutsche Investoren unabdingbar.
Schröders Afrika-Reise wird von der deutschen Wirtschaft tatsächlich aufmerksam zur Kenntnis genommen. Allein in Südafrika beschäftigen 450 deutsche Unternehmen 70.000 Menschen. Das Land am Südzipfel des Kontinents ist Deutschlands wichtigster politischer und wirtschaftlicher Partner in der Region.
Schröder trägt dem Rechnung, indem er vor der südafrikanischen Handelskammer sprechen und einen deutschen Auto-Zulieferer-Betrieb besichtigen wird. In Pretoria wird der Kanzler ein Township besuchen, um die Kämpfer der Anti-Apartheid-Bewegung zu ehren. Ein Treffen mit Präsident Thabo Mbeki ist ebenso vorgesehen wie eine Zusammenkunft mit dem Ex-Präsidenten Nelson Mandela, bei dem sich Schröder über dessen Aids-Stiftung informieren will.
Angesichts dieses Programms forderte die Unions-Fraktion, der Afrika-Trip dürfe nicht zur "Schönwetter-Reise" werden. "Schröder muss mit allen Politkern Tacheles reden", sagte Friedbert Pflüger. Das gelte besonders für Südafrika, dessen Präsident Mbeki sich gegen den Ausschluss Simbabwes aus dem Commonwealth ausgesprochen hatte. In Simbabwe herrsche ein ungeschminkter Polizeistaat, berichtete Vaatz, der sich vor kurzem selbst vor Ort ein Bild machte. Schröder müsse sich dieser Verantwortung stellen. "Simbabwe ist ein Testfall, ein Schandfleck", so Pflüger.
Ob Schröder den Test besteht, darüber soll für die Unions-Fraktion die Abgeordnete Anke Eymer wachen, die im Tross des Kanzlers mitreist. Für den Fall, das Schröder alles richtig macht, wollte sich die CDU/CSU am Donnerstag schon im Vorfeld einen kleinen Zweig vom Lorbeerkranz sichern: Dass Schröder am Mittwoch vor dem Auswärtigen Ausschuss versprochen hat, in allen Ländern inklusive Südafrika das Thema Simbabwe anzuschneiden, wertete die CDU/CSU-Fraktion schon mal als ihren Verdienst.