Auto-Gipfel im Kanzleramt Merkels Opel-Show lässt Steinmeier blass aussehen

Angela Merkel verteilt Geschenke: Die Kanzlerin stellt zwar einige Bedingungen, doch die Milliarden-Bürgschaft für Opel soll bis Weihnachten stehen. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hat das Nachsehen - sein Gegengipfel mit Betriebsräten aller deutschen Autobauer kann da nicht mithalten.

Berlin - Als Angela Merkel nach dem Auto-Gipfel im Kanzleramt vor die Kameras tritt, wirkt sie fast übertrieben zurückhaltend. Man habe über eine "eventuelle Bürgschaft" für Opel geredet, sagt sie. Noch sei nichts entschieden. Vielleicht werde sie ja nicht einmal nötig. "Das hängt von der Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika ab." Neben ihr steht der Europa-Chef von General Motors, Carl-Peter Forster, und bekräftigt, es gehe um "einen Sicherheitsschirm für den absolut unwahrscheinlichen Fall, dass wir keinen Zugang zu Liquidität haben".

Mit der demonstrativen Tiefstapelei will Merkel die Skeptiker besänftigen. Doch ist dies nicht die eigentliche Botschaft des Treffens. Die lautet vielmehr: Der Staat ist da, die Kanzlerin kümmert sich, die Bürgschaft kommt. Die Bundesregierung werde "konstruktiv" an die Bitte von Opel herangehen, verspricht Merkel. "Bis Weihnachten" soll die Prüfung abgeschlossen sein.

"Bis Weihnachten" - die Zeitangabe verrät, worum es der Kanzlerin geht. Die Bürgschaft ist als Geschenk für den Gabentisch gedacht, damit auch die Opel-Mitarbeiter ein sorgenfreies Weihnachtsfest verbringen können. Merkel spricht von einem "wichtigen Signal an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer".

Wie einst Gerhard Schröder im Fall Holzmann spielt Merkel die Krisenmanagerin mit dem Gefühl für das Volk. Weniger dröhnend im Auftritt, aber genau so auf die mediale Wirkung bedacht. Auf ihrer Pressekonferenz lässt sie sich vom Opel-Management und dem Betriebsratschef sowie Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) einrahmen. Danach tätschelt sie dem Betriebsratschef noch beruhigend den Rücken. Die Fotografen knipsen begeistert.

Da kann Frank-Walter Steinmeier, der Kanzlerkandidat der SPD, nicht mithalten. Die Inszenierungsmacht der Kanzlerin überstrahlt alles. Aber er gibt sein Bestes. Keine zwei Stunden nach dem Merkel-Event veranstaltet er seinen eigenen kleinen Auto-Gipfel im Auswärtigen Amt. Die Betriebsratschefs aller deutschen Autobauer und einiger Zulieferer hat er geladen, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Es geht nicht um Beschlüsse - der Minister wolle einfach mal "sein Ohr auf die Schiene legen", heißt es im Ministerium.

Zusammen mit IG-Metall-Chef Berthold Huber tritt Steinmeier vor den Europasaal und verkündet, die Autoindustrie sei ein "Flaggschiff" der deutschen Wirtschaft und beschäftige 750.000 Menschen. Es folgt ein Satz, den sein Mentor Schröder nicht schöner hätte sagen können: "Wenn eine solche Branche Probleme hat, muss die Politik sich kümmern." Nach dem Treffen gibt er noch eine Erklärung heraus. Die Bundesregierung müsse "außen- und innenpolitisch alles tun, um deutsche Interessen und Arbeitsplätze so gut wie möglich zu schützen. Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen."

Steinmeier sagt auch, man müsse die Krise der Autobauer in einem europäischen Kontext diskutieren. So kann er rechtfertigen, warum der Außenminister sich plötzlich in Wirtschaftsfragen einmischt. Am Wochenende hatte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ihm vorgeworfen, das Treffen mit den Betriebsräten habe im Auswärtigen Amt "nichts verloren".

Solche Kritik wird im Ministerium scharf gekontert: Steinmeier werde sich nicht "auf Mauritius oder die Seychellen beschränken lassen". Als Vizekanzler trage er vielmehr eine "gesamtpolitische Verantwortung". Diesen Anspruch auf eine eigene Agenda hatte Steinmeier bereits vergangene Woche unterstrichen, als er - unabgesprochen mit Merkel - einen "Europäischen Pakt für Arbeit" forderte.

Forster: "Wir haben nicht für Hektik sorgen wollen"

Der Grund für Steinmeiers Aktivismus ist leicht zu durchschauen: Der bisher blass gebliebene SPD-Kanzlerkandidat will im Kampf um die Schlagzeilen nicht ins Hintertreffen geraten. Wenn die Wirtschaftskrise die Titelseiten bestimmt, so die Logik, dann muss er sich eben dazu äußern.

Schon wegen dieses Wettlaufs zwischen Merkel und Steinmeier erscheint es als ziemlich sicher, dass die Bürgschaft für Opel kommen wird. Wer zögert, überlässt dem Rivalen das Feld - da preschen beide lieber vor.

Auch dem GM-Europa-Chef Forster ist bereits aufgefallen, dass politische Debatten eine eigene Dynamik entfalten. "Wir haben nicht für Hektik in der Diskussion sorgen wollen", sagt er entschuldigend auf die Frage, warum denn ein Eil-Gipfel nötig sei, wenn bei Opel doch gar kein aktueller Finanzbedarf bestünde.

Merkel hatte es offensichtlich eilig mit dem Gipfel. Sie hatte am Freitag in Washington erfahren, dass Steinmeier sich am Montag mit den Auto-Betriebsräten treffen würde. Danach entschied sie, die bis zu jenem Zeitpunkt auf Staatssekretärsebene geplanten Opel-Gespräche zur Chefsache aufzuwerten.

Nun ist die Bürgschaft in Höhe von einer Milliarde Euro auf dem besten Weg. Nur ein wichtiges Detail muss noch geklärt werden: Wie kann sichergestellt werden, dass keine deutschen Steuergelder in die USA zu General Motors abfließen? Die Gefahr besteht, weil Opel eine hundertprozentige Tochter des vor der Insolvenz stehenden US-Autobauers ist.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck regte an, das Geld in einer Arbeitnehmergesellschaft zu verankern, die bei Opel Deutschland einsteige. So könnten die Mittel dem Zugriff von GM entzogen werden, sagte der SPD-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.

Wie eine zufriedenstellende Lösung aussehen könnte, ist vollkommen unklar. Aber Merkel hat nun Erwartungen an den Weihnachtsmann geweckt, die sie kaum enttäuschen kann.

Mitarbeit: Björn Hengst

Opel in Deutschland: Traditionsmarke mit Krisenerfahrung

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