Merkel in Baden-Württemberg Im Stahlbad

Angela Merkel in Ettlingen
Foto: Uli Deck/ dpaAngela Merkel spricht in einer Sporthalle, einige Meter über ihrem Kopf hängt eine Anzeigetafel. Dort blinkt in roter Digitalschrift die Uhrzeit, darüber die Worte "Heim" und "Gäste". Es ist kein Spielstand eingetragen, doch geht es nach der Stimmung der Zuschauer, müsste bei Heim eine große Null stehen.
Der 68. Landesparteitag der CDU in Baden-Württemberg, in der Albgauhalle in Ettlingen, steht unter dem Eindruck der schlechten Umfragewerte für die Landtagswahl am 13. März.
Zwischen 28 und 30 Prozentpunkte geben die Demoskopen der Union derzeit, 32 Prozentpunkte hingegen den Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Zweitstärkste Partei hinter den Grünen, das wäre eine Demütigung.
Für die einst erfolgsverwöhnte Union im Ländle fühlt sich der Wahlkampf derzeit an wie ein außer Kontrolle geratenes Match, das auf eine deftige Heimniederlage hinausläuft.
Auf der Bühne und vor allem auf den Gängen und an der Kaffeetheke bemühen sich die Delegierten auch gar nicht, das zu verheimlichen. "Natürlich sind diese Umfragen Tiefschläge", sagt Generalsekretärin Katrin Schütz gleich nach der Begrüßung auf dem Podium.
Die Kanzlerin soll also für Aufmunterung sorgen, sie ist mit dem Flieger aus Paris nach Baden-Airport gekommen und trägt das fliederfarbene Jackett, in welchem sie am Vormittag den französischen Staatspräsidenten François Hollande getroffen hat. Die Farbe beißt sich etwas mit dem CDU-Orange vom Guido-Wolf-Wahlplakat, das hinter Merkel an der Wand hängt.
Merkel hat nicht wirklich etwas im Gepäck für ihre Parteifreunde im Südwesten. Erst am Montag soll es auf dem EU-Gipfel darum gehen, ob über ein Abkommen mit der Türkei die Zahl der Flüchtlinge verringert werden kann, die nach Europa kommen. Ein spektakulärer Verhandlungserfolg soll nach Hoffnung der Wahlkämpfer den Negativtrend für die CDU noch drehen.

Merkel mit Guido Wolf
Foto: Uli Deck/ dpa"Nur der, der von sich selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen"
Merkel bekräftigt in ihrer Rede ihre Position: "Wir brauchen eine nachhaltige europäische Lösung, und der haben wir uns schon ein Stück genähert, obwohl wir noch Zeit brauchen, um sie ganz zu schaffen." Sie wisse, dass viele Wahlkämpfer in Baden-Württemberg nicht froh seien, ständig auf das Thema angesprochen zu werden.
Deshalb habe man sich gestritten in der CDU und werde vielleicht weiter streiten. Doch gehe es nun darum, sich "selbst zu vergewissern" und sich von Umfragen nicht abbringen zu lassen.
"Nur der, der von sich selbst überzeugt ist, kann auch andere überzeugen", sagt Merkel in ihrer Rede. Es klingt wie die Maxime ihres eigenen politischen Handelns und zugleich wie eine Rüge an die Landes-CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf.
Der verunsicherte mit seinem Mittelkurs zwischen Merkel-Unterstützung und Begrenzungsrhetorik à la Horst Seehofer die Wähler. Vor zwei Wochen veröffentlichte er mit Julia Klöckner, der Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, ein Papier, in welchem er sich von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin absetzte.
Das Manöver gilt inzwischen vielen Christdemokraten, vor allem in Berlin, als schwerer Fehler. Denn offenbar schätzen die Unionswähler Kritik an der Kanzlerin nicht, stimmen die Umfragen, dann halten sie sich lieber an den Grünen Kretschmann, der die Kanzlerin unermüdlich als "erfahrene Krisenmanagerin" preist.
"Ich werde genau im Blick haben, was hier los ist"
In Ettlingen sagt Wolf, er unterstütze die Kanzlerin in ihrem Bemühen um eine europäische Lösung, zugleich mahnt er Zwischenschritte an, um die Akzeptanz der Menschen zu erhalten. "Nur mit einer starken CDU können wir für weniger Flüchtlinge sorgen", so Wolf. Wie er selbst unter Druck geraten ist, lässt die Rede erahnen. Den bisherigen Wahlkampf bezeichnet der Kandidat als "Stahlbad". Zum Schluss ruft er: "Jetzt erst recht!"

Es bleibt dem CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl vorbehalten, die ungeteilte Unterstützung seines Landesverbandes zu Merkel zu bekunden: "Wir stehen hinter dem klaren Kurs unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel." Und an Merkel gewandt: "Unsere besten Wünsche begleiten dich für die schwierigen Verhandlungen."
Dieser Tenor dürfte wohl auch die letzte Woche des CDU-Wahlkampfes prägen. Große Widerworte gegen Merkel sind so kurz vor der Wahl nicht zu erwarten. Noch weniger, nachdem immer mehr Parteimitgliedern klar wird, dass solche Kritik den Grünen die Wähler in die Arme treibt. Ob es reicht, um wieder an den Grünen vorbeizuziehen, ist ungewiss.
Merkel sagt in ihrer Rede an die verunsicherten Parteifreunde: "Ich werde alles genau im Blick haben, was hier los ist im Ländle."
Zusammengefasst: Angela Merkel war zu Gast beim Landesparteitag der CDU in Baden-Württemberg. Ein schwieriger Auftritt, hatte doch Spitzenkandidat Guido Wolf mehrfach betont, dass die Linie der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise ihm den Wahlkampf erschwere. Merkels Rat, dass nur andere überzeugen könne, wer von sich selbst überzeugt sei, war auf Wolfs unentschiedenen Kurs gemünzt. Die Hoffnung der Parteitagsteilnehmer: ein Verhandlungserfolg Merkels beim EU-Flüchtlingsgipfel.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, die Grünen kämen in Umfragen in Baden-Württemberg auf bis zu 34 Prozent. Das ist nicht richtig, tatsächlich liegen sie bei 32 Prozent. Wir danken unseren Lesern für den Hinweis.