Rededuell in Baden-Württemberg Ratlose Rhetorik

Politiker Kretschmann und Wolf in Stuttgart: Wie die AfD handhaben?
Foto: DPAFast zwei Stunden lang ging das Rededuell hin und her, ohne dass viel Überraschendes passiert wäre. Ministerpräsident Winfried Kretschmann antwortete bedächtig auf die Fragen der beiden Moderatoren, schon nach sechs Minuten Redezeit zitierte er zum ersten Mal seine Lieblingsphilosophin Hannah Arendt. Sein Herausforderer Guido Wolf attackierte derweil das Chaos in der grün-roten Bildungspolitik.
Dann nahm der Ministerpräsident einen Zettel zur Hand, um aus einem Wahlprogramm vorzulesen. Nicht dem seiner Partei, der Grünen, sondern der AfD. Kretschmann urteilte: "Das ist nicht rechtspopulistisch, das ist rechtsradikal." Die AfD-Leute träten als Biedermänner auf, tatsächlich seien sie Brandstifter.
Kretschmanns CDU-Kontrahent Wolf entgegnete: Was der Ministerpräsident vorgelesen habe, sei grausam, jedoch: "Wir müssen die AfD zwingen, Gesicht zu zeigen und sie entlarven."
Bekämpfen oder ignorieren?
Der richtige Umgang mit der AfD ist derzeit das umstrittenste Thema im Wahlkampf in Baden-Württemberg, wo am 13. März ein neuer Landtag gewählt wird. Im Stuttgarter Theaterhaus trafen Kretschmann und Wolf zu ihrem bislang einzigen publikumsoffenen Rededuell vor rund 900 Zuschauern aufeinander.
Doch auch der frenetische Beifall der jeweiligen Anhänger konnte nicht überspielen, wie uneins und ratlos die etablierten Parteien über die Emporkömmlinge aus dem rechten Flügel inzwischen sind: ob sie die AfD rhetorisch bekämpfen oder lieber ignorieren sollen.
Am Dienstag gab der SWR bekannt, dass er zur TV-Diskussionsrunde vor der Wahl nur die im Landtag vertretenen Parteien einladen werde, im Ländle sind dies CDU, Grüne, SPD und FDP. Nicht im Studio sitzen wird hingegen Jörg Meuthen, der Spitzenkandidat der AfD.
Grund: Andernfalls hätten Grüne und SPD die Elefantenrunde boykottiert, die Stühle von Kretschmann und seinem Stellvertreter Nils Schmid (SPD) wären leer geblieben. Mit "zusammengebissenen Zähnen" habe man den Boykott zur Kenntnis genommen, so SWR-Intendant Peter Boudgoust.
CDU und SPD sind besorgt
Die vor allem durch die SPD in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz betriebene Blockade zeigt, wie nervös die etablierten Parteien inzwischen sind. Auch im Südwesten prognostizieren Umfragen der AfD zweistellige Ergebnisse, die Arithmetik gerät kräftig durcheinander - vor allem zu Lasten von Union und SPD.
Die Genossen fürchten einen Sturz ins Bodenlose, Umfragen sahen sie zuletzt bei nur noch 15 Prozent. Auch die Union, die nach dem historischen Machtverlust von 2011 zurück an die Regierung will, verliert an Boden, zuletzt lag sie bei 35 Prozent.
An der Basis murren die Christdemokraten gegen Merkels Flüchtlingspolitik, andererseits ist die Kanzlerin für den Wahlkampf mit mehreren Auftritten eingeplant. Ein schwaches Ergebnis im Stammland bei gleichzeitigem Erstarken der AfD käme einem Votum gegen Merkels Flüchtlingspolitik gleich, das fürchten in der Union viele.
Die AfD verschiebt die Debatte nach rechts
Doch die AfD bedroht auch das grüne Regierungsprojekt, obwohl die Grünen bislang laut Umfragen kaum Wähler an Rechtsaußen verlieren. Kretschmann genießt hohe Beliebtheitswerte, doch kommen einschließlich der AfD fünf Parteien ins Parlament, würde es für Grün-Rot wohl nicht noch einmal reichen.
Seit der Posse um die SWR-Runde muss sich Kretschmann des Eindrucks erwehren, er meide die Auseinandersetzung mit den Schmuddelkindern von der AfD und befördere sie dadurch sogar. Der FDP-Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, Volker Wissing, twitterte : "Grüne und SPD machen Entwicklungshilfe für die AfD." Die meisten politischen Beobachter halten die Strategie für einen Fehler, stütze sie doch den Mythos, ein Kartell aus etablierten Parteien und Medien lasse AfD-Meinungen nicht zu Wort kommen.
Derweil war auf dem Stuttgarter Podium gut zu beobachten, wie der Aufstieg der AfD die gesamte politische Debatte nach rechts versetzt. Der Grüne Kretschmann lobte die Kanzlerin als "erfahrene Krisenmanagerin", er sagte: "Ich verfolge denselben Kurs wie sie." Positionen links von Merkel vertritt der Grüne kaum noch, er gibt den markigen Realpolitiker. "Wer straffällig ist, hat sein Bleiberecht verwirkt", so Kretschmann.
Wolf indes signalisierte, dass er durchaus bereit ist, auf AfD-Wähler argumentativ zuzugehen. Flüchtlinge, die nach Deutschland kämen, müssten sich anpassen, nicht etwa umgekehrt. Und: Noch einmal eine Million Flüchtlinge im Jahr vertrage die Bundesrepublik nicht: "Das würde die Integrationskraft unseres Landes bei Weitem übersteigen."