Bankenkrise Stolpert Milbradt über die SachsenLB?
Hamburg - Georg Milbradt sah heute im sächsischen Landtag schweigend zu, wie sich die Schlinge um seinen Hals enger zog. Der Koalitionspartner SPD ging in der Debatte um die SachsenLB klar auf Distanz zum Regierungschef. Die Opposition verlangte erneut Milbradts Rücktritt. Und hinter den Kulissen wurde auch in der CDU-Fraktion bereits darüber spekuliert, wie lange Milbradt sich noch im Amt halten kann. Der Regierungschef hatte im Sommer sein politisches Schicksal vom Verkauf der Bank abhängig gemacht.
Die rettende Übernahme durch die Landesbank Baden-Württemberg ist jedoch in akuter Gefahr.
Der sächsische Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) erklärte in einer Regierungserklärung, der Freistaat könne die Risiken der sächsischen Landesbank nicht allein absichern. "Das ist angesichts unserer Gesetzes- und Haushaltslage absolut unmöglich." Diese Absicherung durch das Land hatten die Baden-Württemberger jedoch zur Bedingung für eine Übernahme gemacht.
Milbradt warnt vor Neuwahlen
In Stuttgart gab es erste kritische Stimmen aus dem Regierungslager. CDU-Fraktionschef Stefan Mappus, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der LBBW, zeigte sich "zunehmend skeptisch", ob die Bank die Risiken der Sachsen LB schultern sollte. "Ich rate jedenfalls dazu, keinerlei nicht völlig durchschaubare Risiken einzugehen", sagte er. Man wolle zwar den Sachsen helfen, dies dürfe aber nicht zu einer Belastung der LBBW werden.
Milbradt nimmt die Gefahr offenbar sehr ernst. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" forderte der Regierungschef heute in der CDU-Fraktionssitzung seine Parteifreunde dringend auf, jetzt zusammenzuhalten und keine Personaldiskussionen um Verantwortlichkeiten für die Situation der angeschlagenen Landesbank zu führen. Sonst drohe die Gefahr von Neuwahlen. In der Fraktion wurden Milbradts Worte als Hinweis aufgefasst, dass der Regierungschef nicht bereit sei, die persönliche Verantwortung für das Desaster zu übernehmen.
Die "Welt" berichtete, seit heute Nachmittag finde eine Krisensitzung unter Leitung des Bafin-Präsidenten Jochen Sanio mit den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs und Sachsens, Günther Oettinger und Milbradt, sowie ihren Finanzministern Tillich und Gerhard Stratthaus (alle CDU) statt. Sprecher beider Landesregierungen dementierten die Meldung allerdings: Es gebe kein Treffen in Frankfurt.
Allerdings werden sich die beiden Seiten bald einigen müssen. Ohne Einigung hat Sanio die Schließung des Instituts schon in der kommenden Woche angedroht. "Sanio hat gesagt, dann zieht er den Schlüssel", zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einen Verhandlungsteilnehmer.
Tillich: "LBBW muss Risiken mittragen"
Die LBBW müsse sich an der Risikoabschirmung beteiligen, bekräftigte Tillich. Zur Höhe der Forderungen und Risiken äußerte er sich unter Hinweis auf laufende Verhandlungen nicht. Nach unbestätigten Medienberichten verlangt die LBBW eine Bürgschaft von 4,3 Milliarden Euro, das würde einem Viertel des sächsischen Haushaltes entsprechen. Zudem soll Stuttgart nach Angaben des sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle frisches Kapital von mindestens 500 Millionen Euro für die SachsenLB verlangt haben.
Die LBBW wollte die neuen Zahlen nicht kommentieren. Tillich sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, er habe von einer Forderung nach frischem Eigenkapital bislang nichts gehört.
Die Sachsen LB war Ende August im Eilverfahren verkauft worden, nachdem sie durch riskante Geschäfte ihrer irischen Tochter SachsenLB Europe auf dem US-Hypothekenmarkt in Bedrängnis geraten war und vor der Schließung stand. Der Kaufpreis soll erst nach endgültiger Bewertung aller Risiken Ende des Jahres festgelegt werden. Die LBBW hat zudem die Option, den Kauf rückgängig zu machen - unter anderem, wenn die Kernkapitalquote der derzeit von der LBBW treuhänderisch geführten Bank unter vier Prozent sinkt. Stuttgart hatte unmittelbar nach der Übernahme im August 250 Millionen Euro zur Sicherung des Eigenkapitals an die SachsenLB überwiesen.
cvo/dpa/ap