Obama beim Kirchentag Der frohe Botschafter

Obama beim Kirchentag: Der frohe Botschafter
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSEin Moment wird von Barack Obamas Kirchentagsauftritt mit Angela Merkel besonders im Gedächtnis bleiben. Es sind nicht die ehrfürchtigen Fragen der Gastgeber oder die sehr korrekten Lebensläufe der Studenten, die irgendwann auf die Bühne am Brandenburger Tor gebeten wurden.
Erinnern wird man stattdessen eine Szene, in der Merkel durch und durch super wegkommt.
In der Mitte der Veranstaltung hebt Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, in Richtung Obama an: "Wenn jetzt schon mal der lange Zeit mächtigste Mann der Welt neben mir sitzt..."
Die Kanzlerin schaut komisch. "Ich hab so geguckt, weil neben Ihnen sitze ja jetzt erst mal ich", erklärt sie. Zack, Massenlacher. Eigentlich kann Merkel jetzt gehen, besser wird es nicht.
Mit ihrer Bemerkung hat die Kanzlerin mal eben ihre eigene Macht und ihren Einfluss betont, obwohl sie das sonst öffentlich selten tut. Und weil sie dazu noch so "niedlich lächelt" (O-Ton Kirchentagsbesucherin), kann man das nicht mal arrogant finden. Schließlich ist Obamas Präsidentschaft vorbei, und sollte es gut für Merkel laufen, geht sie bald in die vierte Amtszeit.

Besucher des Kirchentags
Foto: Steffi Loos/ Getty ImagesDer Termin schafft für die Kanzlerin die ideale Umgebung, nur Monate vor der Bundestagswahl. Die Kirchen sind enge Unterstützer von Merkels Flüchtlingskurs, und Obama ist in Deutschland überdurchschnittlich beliebt.
Beide sprechen in Berlin vor einem wohlwollenden, zugewandten Publikum. Statt Bier, das sonst auf der "Fanmeile" ausgeschenkt wird, gibt es Nudelsalat und Müsliriegel. "Ich bin ja nicht so für Personenkult, aber meine Güte, haaaah", ruft eine Jugendliche. Als Obama auf der Bühne erscheint, hat sie Tränen in den Augen.
Neunzig Minuten lang wird es auch um die Krisen der Welt gehen, um Terror, Kriege, Flüchtlinge - und um Politik in Zeiten von Donald Trump.

Auftritt auf dem Kirchentag: Obama und Merkel in Berlin
- Welche Kontroversen gab es? Ein 21-jähriger Informatikstudent fragte Obama, ob er Schuldgefühle habe. In dessen Amtszeit hatten US-Drohnenangriffe massiv zugenommen. "Manchmal haben meine Entscheidungen zum Tod von unschuldigen Zivilisten geführt", räumte Obama ein. "Aber es gab keine anderen Wege, um an Terroristen zu kommen." Drohnen an sich seien "nicht das Problem. Das Problem ist Krieg, der ist immer tragisch, immer schmutzig." Merkel bekam Buhrufe, als sie Abschiebungen nach Afghanistan verteidigte. "Wir haben Menschen, die müssen zurück", betonte sie. "Wir müssen denen helfen, die Hilfe wirklich brauchen."
- Spielte Trump eine Rolle? Der US-Präsident, der sich für den Nato-Gipfel in Brüssel aufhält, wurde kein einziges Mal erwähnt. Präsent war er trotzdem. "Die Weltordnung steht am Scheideweg", sagte Obama. "Wir müssen Kräfte zurückdrängen, die Menschenrechte und die individuelle Freiheit bedrohen." Merkel meinte: "Die Geschichte besteht aus Rückschlägen. Aber man muss nach vorne gucken."
- Ging es auch mal um Kirche? Merkel ist Pastorentochter, Obama kam als junger Erwachsener zum Christentum. Sie mache Fehler, sagte Merkel. Aber durch ihren Glauben fühle sie sich "nicht vernichtet, sondern auch immer aufgehoben. Das gibt mir eine gewisse Demut." Obama sagte: "Die Stärke unseres Glaubens drückt sich darin aus, wie wir mit Andersdenkenden umgehen."

Angela Merkel, Barack Obama
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPVersetzt man sich ein paar Jahre zurück, wirkte vieles an diesem Treffen unwirklich. Im Sommer 2008, kurz vor Obamas Präsidentschaft, verwehrte Merkel ihm einen Wahlkampfauftritt vor dem Brandenburger Tor. Damals war Trump noch "The Donald", ein Immobilienmilliardär mit Showbiztalent. Es folgten Merkel-Obama-Jahre mit Höhen (Obama: "Stolz darauf, dass Angela meine Freundin ist") und Tiefen (Merkel: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht").
Auf dem Kirchentag zelebrierten beide nun eine Augenhöhe, die man in der Weltpolitik selten erlebt. Die Wirkung dessen kann Merkel im Bundestagswahljahr gut gebrauchen. Und auch Obama hat etwas vom Spektakel - nährt es doch sein geschickt inszeniertes Comeback als Stiftungsgründer, Berater und gut bezahlter Redner.
Beide verkörperten in Berlin den lebenden Kontrast zu Trump. Besonders deutlich wurde das, wenn Obama mit glaubwürdiger Wärme über seine Familie sprach. Zuletzt habe er Schlaf aufgeholt und Zeit mit Ehefrau Michelle verbracht. Nur seine Töchter seien lieber mit Freunden unterwegs, das sei interessanter als ihr "alter Vater".
Wie er da saß, neben Merkel, im Herzen Berlins, es fühlte sich nicht fremd an. Fast so, als wäre Obama noch Präsident, und die Sache mit Trump wäre in einem Paralleluniversum passiert.
Ein original Berliner (ja, die gibt es tatsächlich) fasste die Stimmung recht treffend zusammen: "Watt'n Hype, Jawoll!" Und klatschte.

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