Freie-Wähler-Chef Aiwanger Die Sphinx aus Rahstorf

Freie-Wähler-Chef Aiwanger: Freund populistischer Thesen
Foto: Inga Kjer/ picture alliance / dpaSollen die anderen über ihn spotten. Hubert Aiwanger weiß schon, wie er mit ihnen umzugehen hat. Zuletzt bekam das Franz Josef Pschierer zu spüren, Mitglied im Kabinett von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Der Staatssekretär lästerte in der letzten Sitzung des bayerischen Landtags vor der Sommerpause über die Biegsamkeit der Freien Wähler. Diese würden alles tun, um nach der Landtagswahl am 15. September "am Kabinettstisch Platz nehmen zu dürfen".
Der vermeintliche Angriff auf die Freien Wähler wurde zur Steilvorlage für Aiwanger. Ob Pschierer ihm zustimme, dass die CSU bei etlichen Themen "ihre Meinung fundamental geändert" habe, etwa bei der Wehrpflicht, der Atomenergie, dem Donau-Ausbau oder den Studiengebühren. "Ja oder Nein?", stichelte der Fraktionschef der Freien Wähler. Pschierer stand für einen Augenblick ziemlich bedröppelt da. Was sollte er auch über die zahlreichen Kehrtwenden seiner Christsozialen sagen, die oft den Stimmungen der Bürger gefolgt waren? Aiwanger klopfte sich auf die Schenkel.
Der 42-Jährige hat sich im Landtag längst Respekt verschafft. Er ist einer der wenigen, die dort ohne Manuskript eine pointierte Rede halten können, seine deftigen Wortbeiträge haben das Maximilianeum lebendiger gemacht. Mit populistischen Thesen kann er jonglieren wie nur wenige in Bayern, etwa wenn er staatliche Investitionen für ein schnelles Internet in Deutschland für sinnvoller erklärt als Rettungsschirme für Griechenland und Zypern. Die Frage ist nur, ob 2013 zu so einem Erfolgsjahr für Aiwanger wird, wie es sich der Agraringenieur vorgenommen hat.
Da ist zum einen die Bundestagswahl. Aiwanger lässt die Freien Wähler praktisch in einen aussichtslosen Kampf ziehen - auch wenn es dagegen immer mal wieder parteiinternes Rumoren gibt. Mögen sie in Bayern fest verwurzelt sein und neben etlichen Landräten auch Bürgermeister stellen, außerhalb des Freistaats tun sich die Freien Wähler schwer. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland blieben sie klar unter der Fünfprozenthürde, auch in Niedersachsen sah es nicht viel besser aus: Am Ende standen dort 1,1 Prozent zu Buche.
Probleme bei der Suche nach prominentem Personal
Auch der Versuch, prominentes Personal für die Bundestagswahl zu gewinnen, scheiterte. Der Adenauer-Enkel Stephan Werhahn kehrte nach einem kurzen Flirt mit den Freien Wählern zur CDU zurück, Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel mischt jetzt lieber bei den Anti-Euro-Kämpfern der Alternative für Deutschland mit.
Geschenkt, wird Aiwanger wohl denken. Für den Mann, der gern im Trachtenjanker auftritt, ist die Teilnahme seiner Mannschaft an der Bundestagswahl vermutlich nicht viel mehr als Begleitmusik und Aufmerksamkeitsgarantie für die bayerische Landtagswahl, die eine Woche vorher über die Bühne geht - und bei der es viel mehr zu gewinnen gibt: Zum mutmaßlichen "Königsmacher" wurde Aiwanger immer wieder in etlichen Zeitungsberichten erklärt, solange die Umfragen dies hergaben. Der Bauernsohn, der im niederbayerischen Rahstorf zusammen mit seinen Eltern einen Hof führt, könne sich am Ende aussuchen, ob er Seehofer eine Mehrheit verschaffen oder zusammen mit SPD und Grünen die jahrzehntelange Herrschaft der CSU brechen wolle.
Die Stimmungslage hat sich geändert, jüngsten Umfragen zufolge darf die CSU hoffen, die 2008 verlorengegangene absolute Mehrheit zurückzugewinnen. Aiwanger ficht das nicht an. "Am Ende werden wir dieses München einnehmen", rief er in seinem Heimatwahlkreis auf dem Rottenburger Volksfest Ende Juni ins Mikrofon.
Eine Koalitionsaussage soll es bis zum 15. September nicht geben, Aiwanger will für den Fall verschiedener Optionen die Mitglieder entscheiden lassen. Er habe "vor keiner Konstellation Angst". Zentrale Punkte für eine Regierungsbeteiligung seien für ihn unter anderem ein Nein zu einer dritten Startbahn für den Münchner Flughafen sowie ein Nein zu den Donau-Staustufen.
"Red deutsch"
Die CSU reagierte gereizt auf das sphinxhafte Taktieren Aiwangers, dies habe "mit klarer, transparenter Politik nichts zu tun". Aiwanger hatte bei der Landtagswahl 2008 maßgeblich dazu beigetragen, dass die Christsozialen auf 43,4 Prozent abschmierten. Seine Freien Wähler - viele Funktionäre und Anhänger fühlten sich einst bei der CSU zu Hause - hatte er mit spektakulären 10,2 Prozent ins Maximilianeum katapultiert.
Anfangs verspottete ihn die CSU wegen seines niederbayerischen Dialekts, der aus fast jedem A ein O macht, oft ein lang gedehntes. "Ooorbeit", sagt Aiwanger. Oder: "Wooohlen". "Red deutsch", rief ihm einst einer im Landtag zu. Sie haben ihn unterschätzt, inzwischen nimmt die CSU die Freien Wähler ernster als SPD und Grüne.
Seehofer wolle die Freien Wähler überflüssig machen, sagte Aiwanger zuletzt in einer Wahlkampfrede, der CSU-Chef solle sich aber keine Hoffnungen machen: "Lieber Horst Seehofer, wir haben so viele gute Ideen, da kommst du schon beim Mitschreiben nicht mit."