Untersuchungsausschuss Opposition zieht vernichtende Bilanz im Fall Mollath

Ausschusszeuge Mollath (Archivbild): Seit sieben Jahren in der Psychiatrie
Foto: MICHAELA REHLE/ REUTERSSie warten jetzt alle auf ein Zeichen aus Regensburg: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), seine Justizministerin Beate Merk (CSU), der bayerische Landtag - vor allem aber Gustl Mollath und die vielen bundesweiten Unterstützer des 56-Jährigen, der seit mehr als sieben Jahren gegen seinen Willen in der Psychiatrie einsitzt. Das Landgericht der ostbayerischen Stadt hat über eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall Mollath zu entscheiden. Erklärt es die entsprechenden Anträge für begründet, wäre der gebürtige Nürnberger sofort freizulassen.
Seehofer hatte zuletzt eine "zeitnahe Überprüfung" des Falles empfohlen und damit signalisiert, dass er sich von der Kammer mehr Tempo wünscht. Selbst Ministerin Merk, die in der Angelegenheit eine ziemlich unglückliche Figur abgibt, hatte nach monatelangem Festhalten an einer harten Linie plötzlich erklärt, dass Mollaths Unterbringung in der Psychiatrie "auf Dauer unverhältnismäßig" sei. Wie es zu Mollaths Einweisung kam, lesen Sie hier.
Bis zum 19. Juli wollen die Regensburger Richter nach eigenen Angaben entscheiden. Es fragen sich inzwischen viele Beobachter des Falls, warum das Gericht dafür so lange braucht. Sollte es noch weiteres Anschauungsmaterial benötigen, dann könnte es ab sofort auf ein umfangreiches Dokument zurückgreifen, das jetzt der Mollath-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags erstellt hat und an diesem Dienstagnachmittag der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Bericht enthält zwei unterschiedliche Wertungen - die von den Regierungsfraktionen aus CSU und FDP und die der Opposition. CSU und FDP können kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten von Behörden oder Ministerien im Fall Mollath erkennen.
In dem Dokument von SPD, Grünen und Freien Wählern, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, werden hingegen auf 136 Seiten schwere Vorwürfe gegen sämtliche am Fall Mollath beteiligte Behörden erhoben. Sie hätten "zahlreiche und gravierende Fehler" begangen, heißt es darin.
Die Vorwürfe der Opposition im Einzelnen:
- Vertuschung durch das Justizministerium - so seien Informationen der Ministerin an den Landtag und gegenüber der Öffentlichkeit "stets einseitig und zu Lasten Herrn Mollaths dargestellt" worden.
- Einseitige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, weil Anzeigen von Mollath "nicht ernsthaft geprüft wurden".
- Viel zu späte Ermittlungen der Finanzbehörden - diese seien erst 2012 aufgenommen worden, dabei hätte die Anzeige Mollaths aus dem Jahr 2003 dafür bereits ausgereicht.
- "Haarsträubende Fehler" des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
Das Nürnberger Gericht hatte Mollath 2006 vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung aufgrund von Schuldunfähigkeit freigesprochen und dessen Einweisung in die Psychiatrie wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit angeordnet. Mollath, der seine inzwischen von ihm geschiedene Frau geschlagen und Autoreifen zerstochen haben soll, hatte ihr Schwarzgeldgeschäfte vorgeworfen und diese angezeigt. Zentrale Anschuldigungen Mollaths erwiesen sich später als zutreffend.
Mollath gehöre auf freien Fuß, Ministerin Merk dagegen sei "zu entlassen", fordern die bayerischen Oppositionsfraktionen in ihrem Minderheitenvotum. Das Justizministerium des Freistaats sei seit einer ersten Eingabe Mollaths im Jahr 2003 mit dem Fall beschäftigt, 19 Aktenbände stünden im Ministerium, dennoch sei Mollath kein einziges Mal persönlich angehört worden. Dies sei "bedenklich und rügenswert, weil Herr Mollath in zahllosen Schreiben inständig darum bat".
"Tendenz zu vorauseilendem Gehorsam"
Die Opposition nutzte ihren Bericht auch dazu, um die Unabhängigkeit der bayerischen Justiz in Frage zu stellen: Die seit 56 Jahren währende Regierungszeit der CSU habe "Strukturen begünstigt", die einer solchen Unabhängigkeit nicht zuträglich seien. So würden die Karrieren von Richtern und Staatsanwälten von Entscheidungen der politischen Spitze der zuständigen Ministerien abhängen. Dies stärke "Korpsgeist, eine mangelnde Kultur der Korrektur eigener Fehler und vor allem die Tendenz zu vorauseilendem Gehorsam".
Kritisch wertete die Opposition zudem das Auftreten mancher Beamter, die als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss geladen waren: Fragen der Opposition sei mitunter nicht mit dem nötigen Respekt begegnet worden, sagte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Florian Streibl (Freie Wähler) SPIEGEL ONLINE. "Weil die betreffenden Beamten wussten, dass sie die richtige Partei auf ihrer Seite haben. Wir kamen uns manchmal vor wie dumme Schulbuben."
Über das Schicksal Mollaths sagte Streibl: "Er hat an das Recht geglaubt. Auch das ist ihm zum Verhängnis geworden."