Klage gegen Finanzausgleich Bund soll armes Berlin finanzieren

Jetzt ziehen Bayern und Hessen vor das Verfassungsgericht: Der Finanzausgleich ist nach Auffassung der beiden Landesregierungen "in eine verfassungswidrige Schieflage geraten". Besonders der Geldfluss in die Hauptstadt passt München und Wiesbaden nicht.
Brandenburger Tor in Berlin (Langzeitbelichtung): Das Land profitiert vom Finanzausgleich

Brandenburger Tor in Berlin (Langzeitbelichtung): Das Land profitiert vom Finanzausgleich

Foto: Marc Tirl/ dpa

Berlin/Hamburg - Die Landesregierungen von Bayern und Hessen wollen am Dienstag auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Wiesbaden den Weg für eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht frei machen.

Seit Jahren hätten sich die drei Geberländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg um eine Neuordnung der Länderfinanzbeziehungen auf dem Verhandlungsweg eingesetzt. Eine solche Verhandlungslösung sei "gescheitert", heißt es in einer Vorlage für die gemeinsame Kabinettsitzung, die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs lehnt die Klage Bayerns und Hessens allerdings ab.

Der Länderfinanzausgleich sei inzwischen "in eine verfassungswidrige Schieflage geraten", heißt es in dem Papier. Von ehemals fünf Geberländern seien nur noch drei verblieben. Hamburg, "das mit Abstand finanzstärkste Land in Deutschland", sei 2012 vom Geber- zum Nehmerland geworden und erhalte "trotz seiner pro Einwohner höchsten Steuereinnahmen unter den Ländern ca. 20 Mio. Euro an Ausgleichszahlungen". Ein solches Ausgleichssystem sei "in sich nicht mehr stimmig und schlüssig", heißt es in der Vorlage. "Das Gesamtsystem leidet unter einer zu weitgehenden Nivellierung der Länderfinanzkraft, die den politisch Verantwortlichen eines Landes das Eigeninteresse nimmt, Maßnahmen zur Stärkung der originären Steuerkraft zu ergreifen", heißt es unter anderem in der Begründung zur Kabinettsvorlage.

Anstrengungen zur Pflege der eigenen Steuerkraft müssten belohnt, nicht wie bisher massiv bestraft werden, heißt es weiter. Und: "Eigenverantwortung muss Vorrang haben. Deshalb muss der Finanzausgleich verstärkt das haushalts- und finanzpolitische Verhalten eines Landes mit einbeziehen." In der Vergangenheit hatten Bayern und Hessen moniert, dass sich manche Nehmerländer etwa im Bereich der Kita-Betreuung deutlich mehr leisten als manche Geberländer.

Ein besonderes Augenmerk werfen die beiden Länder auf die hoch verschuldete Bundeshauptstadt. Deren Finanzierung habe sich "in unvorhersehbarer Weise entwickelt". Berlin habe 2005 mit rund 2,46 Milliarden Euro rund 35 Prozent des gesamten Ausgleichsvolumens der Länder erhalten, im Jahr 2011 seien es mit mehr als rund 3,3 Milliarden Euro "über 40 Prozent" gewesen. Die Schlussfolgerung der beiden Kläger: "Die Finanzierung der Hauptstadtfunktionen Berlins ist aber nicht Sache der Länder. Erforderlich ist eine Sonderfinanzierung Berlins durch den Bund."

Bayern und Hessen halten den anderen Ländern vor, keine Kompromisse eingegangen zu sein und damit einem Gang nach Karlsruhe den Weg geebnet zu haben. Eine Verständigung sei auch auf einem gesonderten Treffen der Regierungschefs im Juli 2012 nicht zustande gekommen. "Eine Perspektive, ohne eine gerichtliche Überprüfung notwendige Korrekturen am bestehenden System gegen die Ländermehrheit vorzunehmen oder auch nur zeitnah in einen konstruktiven Dialog mit anderen Ländern einzutreten, war damit nicht mehr erkennbar", heißt es in der Begründung zur Beschlussvorlage beider Kabinette.

In einem Eckpunktepapier des bayerischen Finanzministeriums werden die grundlegenden Daten des Länderfinanzausgleichs aufgelistet.

  • Demnach hat Bayern allein 2012 mit 3,9 Milliarden Euro mehr in den Finanzausgleich eingezahlt "als es in der Summe seit 1950 erhalten hat".
  • Auf Baden-Württemberg entfielen für das Jahr 2012 Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro.
  • Hessen zahlte im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro ein.

Bayern und Hessen wollen einen Normenkontrollantrag in Karlsruhe stellen. Dieser solle "voraussichtlich Ende Februar 2013" dem Bundesverfassungsgericht übermittelt werden, heißt es weiter.

Hessens SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel kritisierte die Klage der beiden Bundesländer und warf der hessischen Landesregierung fehlende Glaubwürdigkeit vor. "Die hessische Landesregierung klagt jetzt exakt gegen das, was sie im Jahr 2000 bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Wiesbaden selbst ausgehandelt hat", sagte Schäfer-Gümbel SPIEGEL ONLINE. Der Fraktionschef der SPD im Wiesbadener Landtag sprach sich stattdessen für eine Reform des Länderfinanzausgleichs auf dem Verhandlungsweg aus. "Das Bundesverfassungsgericht wird nicht die Arbeit der Länder übernehmen. Wir müssen verhandeln", sagte Schäfer-Gümbel. Für sein Bundesland wolle er, dass künftig "mehr Geld in Hessen bleibt, dass auch in Hessen erwirtschaftet wurde". Der Bund müsse einen größeren Finanzierungsanteil für die Hauptstadt Berlin übernehmen. "Wir brauchen eine Föderalismuskommission III", sagte Schäfer-Gümbel.

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