Landtagswahl in Bayern So profitiert die CSU vom komplizierten Wahlsystem

Briefwahlunterlagen für die Landtagswahl in Bayern
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpaKurz vor den Landtagswahlen sieht es schlecht aus für die CSU. In jüngsten Umfragen landet die Partei bei etwa 33 Prozent und läge damit weit hinter den Ergebnissen von vor fünf Jahren (47,7 Prozent). Die politische Stimmung im Freistaat hat sich also gewandelt. Allerdings könnte die CSU am Sonntag doch besser dastehen, als die Umfragen momentan nahelegen. Denn auf eines können die Christsozialen zählen: das Wahlsystem.
U m das zu verstehen, muss man sich das Wahlsystem genauer ansehen:
Wie auf Bundesebene können Wähler in Bayern eine Erst- und eine Zweitstimme vergeben. Insgesamt besteht der bayerische Landtag aus mindestens 180 Abgeordneten. Diese bestehen jeweils etwa zur Hälfte aus Direktmandaten (91) und Listenmandaten (89). Hinzu können Überhangs- und Ausgleichsmandate kommen.
Zunächst können die Wähler mit der Erststimme wie auch im Bund direkt den Kandidaten ihres Stimmkreises wählen:
- Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt, eine einfache Mehrheit reicht.
- Voraussetzung dafür ist, dass die Fraktion des Direktkandidaten es über die Fünfprozenthürde schafft.
- Bei 91 Stimmkreisen landen somit 91 Direktkandidaten im Landtag. Das soll gewährleisten, dass alle bayerischen Regionen vertreten sind.
In den meisten Stimmkreisen gewinnt traditionell der Kandidat der CSU. In Umfragen wird die Wahlabsicht zumeist jedoch nur in Bezug auf die Zweitstimme abgefragt, Direktmandate werden nicht beachtet. Dies kann dazu führen, dass die Ergebnisse am Sonntag anders ausfallen, als Umfragen nahelegen.
Die Mannheimer Politikwissenschaftler Marcel Neunhoeffer und Thomas Gschwend gehen davon aus, dass die CSU bis zu 80 Sitze über Direktmandate holen könnte. Die beiden Forscher haben mit einer Simulation aufgezeigt, wie das Wahlsystem der größten Partei Vorteile einräumt. Dabei geht es auch um einen Aspekt, der in Bayern einmalig ist: die Verrechnung aus Erst- und Zweitstimme.
Mit der Zweitstimme stimmen die Wähler zunächst über die Partei ab.
- Anders als auf Bundesebene gibt es in Bayern jedoch keine einheitliche Landesliste. Jede Partei darf maximal sieben Listen erstellen - eine je Wahlkreis, wobei die Wahlkreise den sieben bayerischen Regierungsbezirken entsprechen.
- Die Wähler können der Liste einer Partei ihre Stimme geben. Anders als auf Bundesebene können sie jedoch auch einen Kandidaten der Liste auswählen. Somit kann die von den Parteien vorgegebene Reihenfolge der Kandidaten beeinflusst werden. Je nach Wählersympathien könnte ein Spitzenkandidat nach unten durchgereicht werden und andersrum.

Grafik: Bayern-Wahlmandate für Landtag
Foto: SPIEGEL ONLINEAuf Bundesebene ist die Zweitstimme entscheidend dafür, wie die Sitze im Parlament verteilt werden. In Bayern werden hierfür Erst- und Zweitstimme zu einer Gesamtstimme zusammengerechnet. Dafür werden die absoluten Stimmen zusammengezählt und dann durch die Gesamtzahl aller Erst- und Zweitstimmen geteilt um über Prozent zu sprechen. Hat also eine Partei in einem Wahlkreis 50 Prozent der Erst- und Zweitstimmen gewonnen, erhält sie die Hälfte der Sitze, die hier insgesamt zu vergeben sind. Hohe Werte bei den Direktmandaten wirken sich also positiv auf die Vergabe der Listenmandate aus. Dadurch geht die Erststimme nicht "verloren", wenn der Direktkandidat nicht gewinnt.
"Die Stimmmehrheit bei den Zweitstimmen bedeutet somit nicht gleichzeitig eine Sitzmehrheit, oder anders gesagt, eine Partei kann die Mehrheit der Sitze auch holen, obwohl sie nicht die Mehrheit der Zweitstimmen gewinnt", sagt Gschwend. Dabei spiele auch eine Rolle, dass Parteien, die unter fünf Prozent blieben, nicht in den Landtag einziehen dürften. Würden beispielweise zwei Parteien knapp unter der Fünfprozenthürde bleiben, müssten 100 Prozent der zu vergebenden Sitze auf nur knapp 90 Prozent der erhaltenen Stimmen verteilt werden. 45 Prozent der Erst- und Zweitstimmen würden in einem solchen Fall bereits für die absolute Mehrheit reichen.
"Da die Stimmen nicht direkt in Sitze übertragen werden, gibt es Rundungsfehler", sagt Neuenhoeffer. Der letzte Sitz gehe an die Partei mit dem größten Rundungsfehler und das sei in der Regel die große Partei. "Also profitiert potenziell wieder die große Partei - und das gleich siebenmal", so der Politikwissenschaftler. Denn der Vorgang wiederhole sich in allen sieben Bezirken.
Und auch eine weitere Eigenheit des bayerischen Wahlsystems sei ein Vorteil für die CSU. Wenn eine Partei mehr Direktmandate erlangt, als ihr durch ihren Anteil an den Gesamtstimmen zustehen, entstehen Überhangmandate. Die direkt gewählten Kandidaten dürfen also trotzdem in den Landtag einziehen. Damit das Gesamtergebnis dennoch in der Sitzverteilung umgesetzt wird, erhalten die anderen Parteien zusätzliche Sitze für ihre Listenkandidaten: sogenannte Ausgleichsmandate. Der Landtag wird also aufgefüllt.
In Bayern erhält in der Regel die CSU Überhangmandate und den kleineren Parteien werden Ausgleichsmandate zugesprochen. Allerdings, so sagt Gschwend, gebe es zu wenige Ausgleichsmandate in Bayern. Grund dafür sei, dass der Ausgleich der Mandate nicht landesweit erfolge, sondern auf Bezirksebene. Käme eine Partei in einem Bezirk also auf 0,2 Ausgleichsmandate, im nächsten auf 0,4 und in einem dritten auf 0,3 würden ihr den üblichen Rundungsregeln zufolge jeweils null Mandate zugesprochen. Addiert auf Landesebene käme sie jedoch auf 0,9 und damit gerundet auf ein Überhangmandat. "Das macht einen entscheidenden Unterschied", sagt Gschwend.
Zwar werde das Parlament so tendenziell kleiner, da Mandate wegfallen. Das allerdings verschaffe der CSU einen Vorteil. In diesem Jahr könnte ein Rekord-Landtag in Bayern gewählt werden. Mit mehr Überhang- und Ausgleichsmandaten als je zuvor. Dies könnte den Effekt in der Tendenz sogar noch etwas verstärken, meint Gschwend.