BayernLB Huber wegen Milliarden-Blamage unter Beschuss

BayernLB-Boss Schmidt tritt zurück - Bayerns Finanzminister Huber verteidigt sich vorm Parlament. Er sieht sich von dem Banker hintergangen. Diese Woche ist hart für den CSU-Chef. Zumal auch noch das Derblecken auf dem Nockherberg naht.

München - Irgendwann reicht es Erwin Huber dann wirklich. Er duckt sich stromlinienförmig übers Rednerpult, stemmt das linke Bein nach hinten und ruft in die linke Hälfte des Landtagplenums, wo SPD und Grüne sitzen: "Warum denn die Vorwürfe an mich? Es gibt keinen Grund dafür. Ich hab die Informationspolitik doch nicht geändert! Der Vorstand der BayernLB hat sie geändert!"

Es geht um Kommunikation. Es geht darum, wann der bayerische Finanzminister und CSU-Vorsitzende Erwin Huber von den Verlusten und Wertberichtigungen der bayerischen Landesbank über insgesamt 1,9 Milliarden Euro gewusst hat.

Hubers Problem: Am vergangenen Dienstag wies er Spekulationen über Finanzprobleme bei der BayernLB vorm Haushaltsausschuss des Landtags noch zurück. Man habe keine belastbaren Zahlen. Doch parallel tagte der Vorstand der Landesbank - und kündigte für den nächsten Tag, Mittwoch, belastbare Zahlen an.

SPD-Fraktionschef Maget: Hubers Rücktritt "unvermeidbar"

Bayerns Opposition aus SPD und Grünen bezichtigt Huber nun der "Lüge": Obwohl schon "seit Wochen Zahlen über die mögliche Höhe der Belastungen" vorgelegen hätten, habe der Finanzminister dem Landtag "nicht vollständig und nicht wahrheitsgemäß berichtet", sagt SPD-Fraktionschef Franz Maget heute und fordert: "Ein Rücktritt von Erwin Huber als Minister wird unvermeidbar sein."

Es ist eine hitzige Debatte - die sogar auf den Zuschauerbalkon über den Köpfen der Abgeordneten übegreift. "Das ist alles eine Unverfrorenheit", schleudert ein Gast mit hochrotem Kopf mitten in Hubers Rede hinein ins Parlament hinunter. Später bekommt der Mann einen Polizisten zur Seite gestellt.

Schnell wird klar: Der am Mittag erfolgte Rücktritt von BayernLB-Chef Werner Schmidt nimmt kaum Druck von Huber, der als Vize-Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bank den Vorstand zu überwachen hat. Die Opposition bezeichnet Schmidt als "Bauernopfer" und will hören, dass Huber ihn geschasst habe. Doch der Minister gibt nur kühl zu Protokoll: "Werner Schmidt hat sein Amt niedergelgt, er hat dies im Verwaltungsrat nicht näher begründet."  

Huber lässt sich nicht hinreißen. Dabei brodelt es in ihm genauso wie in seiner Partei. In ihrer heutigen Fraktionssitzung quittierten etwa die CSU-Abgeordneten den Rücktritt Schmidts mit Applaus. Der Mann habe Huber schließlich "angeschmiert", "hereingeritten", "blamiert", so ist aus ihren Reihen zu vernehmen.

Huber griff erbost zum Telefonhörer

Auch Huber selbst hat intern ähnlich reagiert. Der CSU-Chef ist massiv verärgert, fühlt sich hintergegangen. Als er am vergangenen Dienstag nach seinem freiwilligen Auftritt vor dem Haushaltsausschuss davon erfuhr, dass Schmidt nun doch - entgegen der Absprache - Zahlen errechnen lassen wolle, um sie am Mittwoch dem Verwaltungsrat und der Presse zu präsentieren, griff er gegen 16 Uhr erbost zum Telefonhörer und ließ sich mit Schmidt verbinden: Wo der denn jetzt plötzlich Zahlen herbekomme?, ging er den Banker an. Bisher habe er doch immer gesagt, es dauere noch, die etwa 1200 einzelnen Anlageentscheidungen der Bank detailliert zu prüfen. Darauf Schmidt: Naja, er habe nun eben zwei Drittel errechnet und den Rest geschätzt.

Bitter für den Minister: Sogar die Zahlen, die Schmidt ihm am Dienstagnachmittag per Telefon mitteilte, waren offensichtlich teilweise falsch. Keine 24 Stunden später präsentierte der Bayern-Banker andere. Dazu Huber heute vorm Landtag: "Ich habe einen Teil dieser geschätzten Zahlen am Dienstag bekommen. Aber die Zahlen am Mittwoch waren in einem wesentlichen Punkt andere." Er habe dann schließlich dem Landtag am Donnerstag "die aktuellste Information" vorgelegt.

Es läuft nicht gut für Erwin Huber. Er mag nicht gelogen haben, doch wie die BayernLB ihren obersten Prüfer hat auflaufen lassen, ist eine Blamage für den bayerischen Finanzminister, der nach der Bundestagswahl 2009 Bundesfinanzminister werden möchte. Huber wurde vom plötzlichen Kurswechsel von BayernLB-Boss Schmidt überrascht - und muss nun um sein Renomée fürchten. Ausgerechnet zwei Wochen vor der Kommunalwahl, ausgerechnet sieben Monate vor der Landtagswahl in Bayern.

Im Landtag korrespondiert die lautstarke Empörung in den Reihen der Opposition mit der angespannten Aufmerksamkeit auf der Regierungsbank rechts hinter Huber: Da sitzt der Ministerpräsident Beckstein, da sitzen die Minister Sinner und Söder, der Staatssekretär Fahrenschon - alle schräg im Sessel auf den Redner ausgerichtet, alle den rechten Finger nachdenklich am Mund.

Weitere Wertberichtigungen? Nicht ausgeschlossen 

Huber derweil vorne kann weitere Wertberichtigungen bei der BayernLB nicht ausschließen: "Das hängt stark von der Marktlage ab", sagt er. Die Opposition bohrt weiter, fragt nach den 650 Millionen Euro Kapitalerhöhung , die Freistaat und Sparkassen als Eigner der BayernLB wohl gewähren wollen. Dies stünde "in keinem Zusammenhang mit diesen aktuellen Wertberichtigungen", beteuert Huber. Es gehe dabei allein um zukünftige Strategie und Geschäftsmodell der Bank, die am 4. März beraten werden sollen. 

Wie es um eine mögliche Fusion von BayernLB und der mächtigen Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) steht, wollen SPD und Grüne wissen. In den vergangenen Tagen wurde spekuliert, nach der Landtagswahl werde die Regierung einknicken und ihren bisherigen Widerstand aufgeben. Huber weist dies heute erneut zurück und setzt hinzu, er habe "zu keinem Zeitpunkt mit Vertretern der LBBW Gespräche geführt".

Als die Debatte zu Ende ist, eilen die Parlamentarier nach draußen, zum Kaffee. Die meisten mit angespannter Miene. Es ist eine harte Auseinandersetzung, auch in der Pause. Als sich Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr noch einmal vor Journalisten empört, geht CSU-Vordenker Alois Glück sanft lächelnd dazwischen: "Das war ein Punktsieg für Huber heute." Dürr lächelt nicht. "Nein, nein", ruft er Glück hinterher.

Es wird weitergehen. SPD und Grüne planen bereits einen Untersuchungsausschuss. Und den geschassten Banker Schmidt wollen sie vor den Haushaltsausschuss laden. Doch der müsste freiwillig kommen. Verpflichtet ist er nicht.

Sicher ist nur eines: Am Donnerstag ist Starkbieranstich am Nockherberg, das traditionelle Derblecken der Polit-Prominenz. Und Erwin Huber wird eine tragende Rolle spielen. Ganz bestimmt.

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