Beerdigung von Markus Wolf Russen ehren ihren Mann in Deutschland

Es war ein nostalgischer Akt für eine untergegangene Republik: Pompös wurde in Berlin der Ex-Geheimdienstchef der DDR, Markus Wolf, beigesetzt. Mit dabei waren hunderte der alten Kader, die Trauerworte sprach Russlands Botschafter - über die Schandtaten der Stasi wurde kein Wort verloren.
Von Hans Halter

Berlin – Der ehemalige Chef der DDR-Auslandsspionage und stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Markus "Mischa" Wolf, ist am Samstagvormittag in Berlin auf dem Friedrichsfelder Zentralfriedhof, an der "Gedenkstätte der Sozialisten" beigesetzt worden. Seine pompöse Beerdigung stilisierten die überlebenden Hoheitsträger der DDR zu einem nostalgischen Staatsakt für ihre untergegangene Republik.

"Markus Wolf war klug, tolerant, menschlich. Sein Charme hatte immer den Zauber der Wahrheit", rühmte Manfred Wekwerth, 76, letzter Präsident der DDR-"Akademie der Künste", in seiner Trauerrede den verstorbenen Generaloberst des Staatssicherheitsdienstes. "Lebensmut und Lebenslust" seien "Maxime und Bedürfnis" des obersten Spions der deutschen Teilrepublik gewesen, behauptete Wekwerth vor rund 40 geladenen Familienmitgliedern und etwa 800 Trauergästen. Wolf war am 9. November im Alter von 83 Jahren friedlich im Bett gestorben.

Am Grab nahm die alte Elite der DDR Abschied von einem der ihren. Erschienen waren die ehemaligen SED/PDS-Vorsitzenden Hans Modrow, 1989/90 Vorsitzender des Ministerrats; Lothar Bisky, sein Nachfolger im Parteivorsitz; die Generalobersten Fritz Streletz (Nationale Volksarmee) und Werner Großmann (Staatssicherheitsdienst); dazu hunderte ergraute Kader aus Partei, Kunst und Kultur – denn Markus Wolf legte nach der Wende Wert darauf, als Dichter und feinsinniger Grandseigneur zu gelten.

"Geheimdienst ist ein hartes Gewerbe"

"Er wird immer in unserem Herzen weiterleben", rief Vladimir Kotenev, der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter Russlands, den deutschen Leidtragenden zu. Denn: "Deutschland hat einen seiner besten Söhne verloren, Russland einen seiner besten Freunde". Der wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung 1997 rechtskräftig zu zwei Jahren Gefängnis (auf Bewährung) verurteilte Geheimdienstchef habe sich, so Exzellenz Kotenev, im Leben durch Wärme und Weitsicht, vor allem durch Treue ausgezeichnet.

Aus russischer Sicht ist das die reine Wahrheit. Denn Markus Wolf, den seine Freunde nur "Mischa" nannten, war immer ein Mann der Russen. Im Satellitenstaat DDR vertrat der geborene Schwabe mit Nachdruck, List und Erfolg die Interessen Moskaus. Dorthin war er 1934 mit seinen vor den Nazis verfolgten kommunistischen Eltern geflüchtet. Wenig später wurde "Mischa" sowjetischer Staatsbürger. Er sprach perfekt russisch, kochte russisch und alle Nachrichten, die sein Geheimdienst – rund 10.000 festbesoldete und fünfmal so viele inoffizielle Mitarbeiter (IM) – beschaffte, gingen sofort zum Großen Bruder. "Geheimdienst", bekannte Wolf 1990, "ist ein hartes Gewerbe". Unter Wolfs Leitung, der keine Skrupel kannte und schon seit Stalins Zeiten dabei war, wurden eigene Leute, wie der Kanzleramtsspion Günter Guillaume ebenso geopfert wie durch "Romeos" zum Verrat angestiftete Sekretärinnen.

Kein Wort über die Schandtaten der Stasi

Über die Schandtaten der Stasi, dessen stellvertretender Minister der Verstorbene drei Jahrzehnte lang war, wurde bei seiner Grablegung kein Wort verloren. Es spielte eine sentimentale Kapelle zu Herzen gehende Lieder aus den Weiten Russlands. Lieder von Liebe, Winter und Tod, einige mit jüdischen Anklängen. Treue, Ehre und Idealismus des Dunkelmanns beschwor Linkspartei-Chef Bisky, als die Urne neben Wolfs Bruder Konrad in die Erde gesenkt wurde. Wolfs Vater Friedrich, einem "Anarcho-Kommunist", wird 40 Meter entfernt im Ehrenmal der Sozialisten gedacht.

Als letztes Lebewohl, während sich die Blumen am Grab schon zu Bergen häuften, blies ein Musikant in der Ferne das "Lied vom kleinen Trompeter", gewidmet dem "lustigen Rotgardistenblut" des Markus "Mischa" Wolf, 1923-2006.

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