Benzingipfel Röttgen wirft Ölmultis mieses Marketing vor

E10-Zapfsäule: "Das Produkt falsch verkauft"
Foto: dapdBerlin - Kurz vor dem Spitzengespräch zum Thema Biosprit greift Umweltminister Röttgen die Mineralölindustrie massiv an: Das Debakel um Treibstoff E10 hätte sie zu verantworten, weil sie das Produkt falsch verkauft hätte. "Die jetzige Aufregung hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft nervös geworden ist, weil sie ihr eigenes Produkt zu schlecht vermarktet hat", sagte Röttgen der "Bild"-Zeitung.
Die Mineralölwirtschaft müsse bei dem Gipfeltreffen am Dienstag klar und deutlich erklären, wie die Hersteller-Informationen verbessert und näher an den Kunden gebracht werden könnten, verlangte der Unionspolitiker. Die Ölkonzerne "dürfen sich ihre Fehler bei der Einführung nicht vom Verbraucher bezahlen lassen", sagte Röttgen.
Der Minister verteidigte zugleich erneut die Einführung des Biosprits mit zehn Prozent Ethanol. Er sei "zuversichtlich, dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden kann". Biosprit diene dazu, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren.
Allerdings vertragen rund drei Millionen Autos das Superbenzin nicht, viele Autofahrer sind verunsichert. Deshalb wird die Sorte kaum gezapft. Der Käuferstreik bedroht die Einführung des neue Sprits. Nach Angaben von Experten sind die Preise für Super- und Super-Plus-Kraftstoff nach Einführung der neuen Sorte außerdem gestiegen.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat die Automobil-, Biokraftstoff- und Mineralölwirtschaft sowie Bauern-, Umwelt- und Verbraucherverbände und mehrere Minister daher zu dem sogenannten Benzingipfel am Dienstag geladen, um über das Problem zu beraten. Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) nehmen an dem Treffen teil.
Brüderle hält an der Einführung des umstrittenen Kraftstoffs fest. Vor dem Gipfel sagte der FDP-Politiker dem rbb-Inforadio, die weitere Nutzung von Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen sei wünschenswert, auch im Sinne der Umwelt. Er halte zwar auch eine grundsätzliche Änderung der Position für denkbar, an E10 festzuhalten. Dennoch gehe er davon aus, dass die Gipfelteilnehmer das Ziel weiterverfolgen, Mineralöl durch regenerative Biokraftstoffe zu ersetzen, so Brüderle. Dies sei auch vernünftig, "angesichts dessen, was wir in Nordafrika erleben, was in den Ölfördergebieten ist, man versucht, ein Stück loszukommen von der Abhängigkeit vom Mineralöl und andere Wegen anzupacken".
"Röttgen hat die Sache einfach laufenlassen"
Doch auch wenn Kabinettskollege Röttgen als hauptverantwortlicher Minister jetzt die Schuld eindeutig den Konzernen zuweist: Er selbst ist in die Kritik geraten. Denn die Probleme mit E10 sind nicht neu. Schon seit Jahren ringt die Politik mit Mineralölwirtschaft und Autoherstellern um die Einführung eines zehn- statt bisher fünfprozentigen Anteils von Bioethanol im Super-Benzin. SPD-Chef Sigmar Gabriel, Röttgens Vorgänger im Amt, gab vor zwei Jahren klein bei, stoppte die Pläne zur Einführung von E10.
Gabriel erklärte nun bei MDR Info, bereits damals sei die Verunsicherung der Verbraucher abzusehen gewesen. Statt weiter auf Biokraftstoffe zu setzen, sei es klüger, "die Elektromobilität voranzutreiben, das Thema Wasserstoff weiter voranzubringen". Deutlicher wurde Grünen-Chef Cem Özdemir gegenüber Umweltminister Röttgen: "Vielleicht sollte ihn jemand aus dem Tiefschlaf wecken und ihm sagen, dass die Winterzeit vorbei ist."
Auch mehrere Politiker aus den Koalitionsreihen dringen angesichts des Käuferstreiks auf eine Aussetzung von E10 und kritisieren das Krisenmanagement Röttgens. Um die Verunsicherung bei Autobesitzern zu begrenzen, hätte Röttgen von Anfang an "stärker führen müssen", sagte FDP-Fraktionsvize Patrick Döring. Stattdessen habe der Minister "die Sache einfach laufenlassen". Es sei bezeichnend, dass Wirtschaftsminister Brüderle den Benzingipfel einberufen habe, "während der eigentlich zuständige Umweltminister einfach nur Durchhalteparolen" ausgebe.
Auch der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion stellt den Zeitplan in Frage. "Ich plädiere dafür, dass wir uns bei der Einführung von E10 mehr Zeit lassen", sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs der "Rheinischen Post". "Wir müssen in der EU nicht immer die Vorreiter spielen", sagte der Vorsitzende des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand (PKM). Es reiche völlig aus, wenn Deutschland erst 2012 oder 2013 seine selbst gesetzten Ziele beim Einsatz von Biosprit erfülle.
Biosprit-Hersteller beklagt Kampagne gegen E10
Nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundestagsverkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), kommt der Benzingipfel ohnehin ein Jahr zu spät. "Wenn man der Wirtschaft nicht sagt, was sie zu tun hat, dann tut sie gar nichts", sagte der Grünen-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". Auch er forderte eine Aussetzung des E10-Verkaufs bis die Automobilhersteller ihren Kunden rechtsverbindliche Informationen geben können, welche Autos den neuen Sprit überhaupt vertragen.
Der Biosprit-Hersteller CropEnergies aus Mannheim beklagt indes eine Kampagne gegen den neuen Kraftstoff. "Die Verunsicherung der Autofahrer wird teilweise durch Falschinformationen erhöht", sagte Vorstand Lutz Guderjahn der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". Kritik übte der Manager auch an Umweltverbänden, die die Nachhaltigkeit von Bioethanol kleinredeten.
Doch Umweltverbände und Wissenschaftler halten dagegen. Gewaltige Landflächen müssen für die Biosprit-Produktion reserviert werden - dafür müssen oft große Regenwaldflächen abgeholzt werden. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen empfahl bereits 2008, das Gesetz zur Beimischung von Biokraftstoffen zu stoppen, den Anteil der vermeintlichen Ökosprits am Benzin auf Null zu fahren und jegliche Förderung einzustellen.
Dazu kam es bekanntlich nicht. Denn die Bundesregierung ist der Auffassung, mit mehr Biosprit könne Deutschland nicht nur unabhängiger vom Öl werden, sondern auch das Klima schützen. E10 wurde bisher an rund 7000 der bundesweit 15.000 Tankstellen eingeführt. Der Gesetzgeber hat die Ölbranche verpflichtet, 6,25 Prozent ihres Kraftstoffes - gemessen am Energiegehalt - aus pflanzlicher Produktion zu verkaufen.
Die Einführung geht auf die Biosprit-Richtlinie der EU von 2009 zurück - allerdings schreibt die EU nur vor, dass bis 2020 zehn Prozent der im Transportsektor verbrauchten Energie erneuerbar sein muss. Wie das Ziel erreicht wird, ist Sache der Regierungen.