Berlin Egon Krenz sitzt im Gefängnis

Nach wie vor fühlt sich Egon Krenz als politischer Verfolgter, nicht als Krimineller. Doch weder Revision noch Beschwerde haben dem letzten Staats- und Parteichef der DDR genutzt. Am Donnerstag trat er in Berlin-Hakenfelde seine Haftstrafe an.

Berlin - Wegen Totschlags an vier DDR-Flüchtlingen ist der Honecker-Nachfolger rechtskräftig zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Vortag seine Beschwerde gegen das Urteil abgewiesen.

Auf dem Weg ins Gefängnis musste sich Krenz mit Hilfe von Polizisten einen Weg durch die Menschenmenge bahnen. Um 16.06 Uhr schloss sich hinter ihm die Glastür der Anstalt des offenen Vollzugs.

Im Gefängnis muss Krenz sich nach Angaben von Justizsprecherin Svenja Schröder-Lomb zunächst einen Haftraum mit drei weiteren Gefangenen teilen, weil die Anstalt überbelegt ist. In den nächsten Tagen wird ein Vollzugsplan aufgestellt. Darin ist geregelt, ob und wann Krenz möglicherweise Freigänge bekommt und ob er in dieser Anstalt bleibt.

In Hakenfelde sitzt seit dem 15. Dezember auch das zu drei Jahren Haft verurteilte frühere SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski ein. Auch drei verurteilte Spitzenmilitärs aus dem Kollegium beim DDR-Verteidigungsministerium verbüßen dort ihre Haftstrafe. Der ebenfalls im Politbüro-Prozess verurteilte Günther Kleiber muss seine Strafe von drei Jahren spätestens am 18. Januar antreten.

Die PDS kritisierte die Inhaftierung von Honecker-Nachfolger Krenz als Instrumentalisierung des Rechts zu politischen Zwecken. "Falsche Politik muss man aufarbeiten, sie ist aber nicht strafbar", hieß es in einer Mitteilung der PDS-Partei- und Fraktionsspitzen Lothar Bisky und Gregor Gysi. "Seine Verurteilung durch bundesdeutsche Gerichte halten wir für grundgesetz- und völkerrechtswidrig." Der CSU-Politiker Peter Ramsauer nannte die Äußerungen von Bisky und Gysi eine "politische Kampfansage gegen den demokratischen Rechtsstaat".

Krenz hofft jetzt noch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dort will er eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch die Bundesrepublik geltend machen. Die Entscheidung in Straßburg könnte in der zweiten Jahreshälfte fallen. Krenz-Anwalt Robert Unger sagte, er rechne sich dort höhere Chancen aus als in Karlsruhe. "Es ist natürlich heute ein schwerer Gang", sagte Unger beim Haftantritt seines Mandanten.

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