

Berlin - Hoch über den Straßen von Berlin-Kreuzberg rufen sich Anwohner auf den Dächern zu, was gerade in ihrem Viertel passiert. "Ich sehe alles von meinem Schlafzimmer aus, so viel Polizei", schreit die eine Nachbarin vom Dach ihres Hauses der anderen zu. Zwischen den Beiden liegt die Ohlauer Straße, Dutzende Einsatzwagen der Berliner Polizei rollen dort unten gerade zur Verstärkung heran. Denn auf dem Dach nebenan tanzen immer noch die Flüchtlinge zu dumpfen Reagge-Beats und weigern sich, die stillgelegte Gerhart-Hauptmann-Schule zu verlassen.
Im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain herrscht eine angespannte Stimmung. Seit einer ersten Räumung der Schule vor acht Tagen sperrt die Polizei die Gegend weiträumig ab. Noch immer verschanzen sich 40 afrikanische Flüchtlinge in dem Gebäude. Sie haben Angst vor der Abschiebung und fordern die Anerkennung ihrer Asylanträge. Mehrmals täglich verschicken sie E-Mails und SMS mit ihren Forderungen. Sie drohen: "Wenn die Polizei die Schule betritt, springen wir vom Dach".
Das Flüchtlingsdrama hält längst ganz Berlin in Atem. Viele Bürger fragen sich: Wie geht die Sache aus? Gibt es Gewalt und Krawalle in Kreuzberg, wieder einmal?
Tausend Polizisten stehen bereit
An allen Straßenecken rund um die Schule haben sich linke Demonstranten versammelt, die immer wieder mit den gepanzerten Einsatzkräften aneinandergeraten. "In dem Gebiet rund um die Gerhart-Hauptmann-Schule sind rund tausend Beamte aus ganz Deutschland im Einsatz", erklärt ein Sprecher der Berliner Polizei. Denn die Räumung des Gebäudes steht nach Angaben des Sprechers bevor. "Wir haben den Auftrag zu räumen, nicht zu verhandeln" sagt er. Die Verantwortung für den Einsatz läge nun bei der Polizei. Der Fall bringt vieles durcheinander dieser Tage, die Politik scheint überfordert, wie so oft in Berlin. Zuständig für die Schule ist der Bezirk Kreuzberg.
Am Montag hatte der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt der Kreuzberger Bezirksregierung gar ein Ultimatum gestellt: Wenn sie die Polizei bis Dienstag früh nicht um Vollzugshilfe für eine Räumung bitte, wolle er die Polizisten rund um die Schule abziehen. Die Polizei treibt die Politik vor sich her: ein bemerkenswerter Vorgang.
Die Bezirksregierung wiederum steckt in der Klemme: Bezirksrat Hans Panhoff ist Grüner, sowie auch Monika Herrmann, die Bürgermeisterin in Kreuzberg. Eigentlich müssten sie sich einsetzten für die Flüchtlinge in der Schule. Doch auch sie erkennen, dass die Zustände rund um die Schule auf Dauer untragbar sind. Nun beauftragte Panhoff die Berliner Polizei tatsächlich mit der Räumung, zuvor solle allerdings noch einmal mit den Flüchtlingen verhandelt werden. Aber bislang ist nichts passiert, immer noch ist das Gebiet weiträumig abgesperrt.
Angebliche Einigung steht bevor
Die Angst ist groß, dass die Gewalt bei der Räumung der Schule eskaliert: Immer noch drohen die Flüchtlinge mit ihrem Selbstmord, wenn die Polizei in die Schule eindringt. Sie wollen vom Dach springen.
Aus zahlreichen Fenstern in den umliegenden Straßen haben die Anwohner derweil Fahnen gehängt: "Polizeigewalt stoppen" steht darauf, oder "Solidarität mit den Flüchtlingen". Um zu ihren Wohnungen zu gelangen, müssen sich Anwohner an den Straßensperren vor der Polizei ausweisen, zeitweise werden sogar ihre Personalien aufgenommen. "Was ihr macht ist Wahnsinn", ruft eine Frau aus dem Fenster ihrer Wohnung im Erdgeschoss den vorbeilaufenden Einsatzkräften zu. Abends treffen sich Nachbarn in der Sperrzone zum "Anwohner-Picknick", sie wollen "passiven Widerstand gegen die Schikanen des Staates leisten", heißt es auf der Einladung.
Am späten Mittwochnachmittag schien sich jedoch eine Lösung abzuzeichnen - eine Einigung zwischen Kreuzberg-Friedrichshain und den Besetzern. Die Berliner Polizei twitterte daraufhin, dass der Bezirk angekündigt habe, "dass er dann sofort das Räumungsersuchen zur Gerhart-Hauptmann-Schule zurücknehmen wird".
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Seit Tagen fordern linke Demonstranten in Kreuzberg Asyl für die Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule.
Die Demonstranten organisieren sich in 24-Stunden-Schichten und lassen die Schule nicht unbeobachtet.
Immer wieder verschicken die Flüchtlinge Mails, SMS und kurze Videos aus der Schule, in denen sie ihre Forderung wiederholen: Bleiberecht für alle.
Auf dem Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule harren die Flüchtlinge seit Tagen aus. Sie drohen damit, vom Dach zu springen, wenn die Polizei das Gebäude betritt.
Großaufgebot: Mit bis zu 900 Personen war die Polizei in dieser Woche auf das seit 2012 besetzte Gelände vorgerückt - doch rund 40 Menschen konnten sich in dem Gebäude verschanzen.
Patt-Situation: Die Flüchtlinge haben Benzin vergossen, sie drohen mit einer Selbstverbrennung oder dem Sprung vom Dach. Seit Tagen ändert sich an der festgefahrenen Lage kaum etwas.
Einsatz gegen Demonstranten: Mittlerweile haben sich viele Unterstützer der Flüchtlinge eingefunden. Sie geraten immer wieder mit der Polizei aneinander.
"Wir sind hier, wir werden bleiben": Fahnen und Banner fordern politisches Asyl für die Flüchtlinge. Jede Regung der Polizisten vor dem Tor der Schule wird mit wütendem Geschrei beantwortet.
Schwierige Situation: In Kreuzberg haben sich die Behörden und die Sicherheitskräfte auf langwierige Verhandlungen eingestellt.