Sozialdemokrat mit angeklebtem Bart Journalist engagiert sich unter falschem Namen in der SPD Berlin-Pankow

Wahlkampf mit SPD-Plakat vor der Dorfkirche in Berlin-Pankow: Im Kreisverband war die Scheinidentität ein offenes Geheimnis
Foto: Rolf Zöllner / IMAGOSeit Jahren engagiert sich ein »Matthias Brückmann« im Berliner Bezirk Pankow in der SPD, er ist derzeit einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Abteilung 15 Kollwitzplatz, Winskiez, Kastanienallee . Nach einem Auftritt in der Berliner Abendschau, der regionalen Nachrichtensendung des RBB, in der »Brückmann« über die SPD-Berlin-Chefin Franziska Giffey motzte, kommt nun heraus: In Wahrheit heißt der Mann Mathias Brüggmann und ist Mitarbeiter des »Handelsblatt«. Das berichtet der »Tagesspiegel« .
Informationen, die der SPIEGEL aus Pankower Parteikreisen erhalten hat, bestätigen die Berichte der Zeitung aus Berlin. So trat Brüggmann tatsächlich bei mindestens einer SPD-Veranstaltung mit falschem Bart auf. Auch war die verschleierte Identität von »Matthias Brückmann« in Pankower Parteikreisen seit Jahren ein offenes Geheimnis, aber bis auf wenige Ausnahmen störte sich offenbar niemand groß daran.
Im Pankower SPD-Kreisverband geht es nun offenbar hoch her. Der »Tagesspiegel« zitiert aus einem internen Chat, in dem ein SPD-Mann den Vorgang als »Armutszeugnis« beschreibt. »Das ist weder ehrlich noch demokratisch, sondern betrügerisch«, zitiert die Zeitung weiter. Andere SPD-Leute verwehren sich gegen diese harsche Kritik, schreiben von einer »Diffamierung« und sogar von einer »Hinrichtung«.
Politische Arbeit war der Chefredaktion nicht bekannt
Aber warum überhaupt diese kuriose Scharade? Mathias Brüggmann steht als »International Correspondent« im Impressum des »Handelsblatt«. Er war Auslandskorrespondent in Moskau, Brüssel und Warschau und schreibt nun von Deutschland aus vor allem über Osteuropa, die arabische Welt und Iran.
Schließen diese Themen ein politisches Engagement auf Bezirksebene aus? Der SPIEGEL hat Brüggmann um eine Stellungnahme gebeten, bislang hat er nicht reagiert.
Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes schreibt auf Anfrage des SPIEGEL, dass der Chefredaktion »das politische Amt« von Brüggmann nicht bekannt gewesen sei. »Nachdem Medien über sein Engagement berichteten, wurde der Kollege beurlaubt, bis die Zusammenhänge lückenlos geklärt sind«, schreibt Matthes weiter. Zudem werde eine Kommission Brüggmanns Texte untersuchen, »ob sie unserem Anspruch an redaktionelle Unabhängigkeit gerecht geworden sind«.
Pikantes Detail: »Tagesspiegel« und »Handelsblatt« haben mit Dieter von Holtzbrinck denselben Verleger. Vier Texte im Online-Archiv der Zeitung aus Berlin sind von Brüggmann (mit-)verfasst, wie der »Tagesspiegel« in seinem Text offenlegt.