Pirat Delius zum Flughafen-Desaster "Es geht kaum noch peinlicher"

Pirat Delius: "Wowereit ist mit dem Projekt Flughafen gescheitert"
Foto: dapdSPIEGEL ONLINE: Der Eröffnungstermin des einstigen Prestigeprojekts Flughafen steht in den Sternen, immer neue Pannen werden bekannt, keiner weiß, wie teuer das Ganze am Ende wird. Wie peinlich kann es für Berlin noch werden?
Delius: Es geht kaum noch peinlicher. Wobei die Empörung langsam einer allgemeinen Resignation weicht. Viele Leute denken sich: Das konnte ja nichts werden, wir erwarten jetzt gar nichts mehr von der Politik. Das finde ich fast noch trauriger als diese Riesenblamage.
SPIEGEL ONLINE: Sie werden künftig den Untersuchungsausschuss im Berliner Landesparlament leiten, bundesweit als erster Pirat. Was ist Ihr Ziel?
Delius: Ich will herausfinden: Was ist schief gelaufen, was müssen wir besser machen? Als Piratenfraktion wollen wir die strukturellen Schwächen offenlegen, damit man solche gigantische Bauprojekte in Zukunft vernünftiger kontrollieren und managen kann. Ich will am Ende eine klare Aussage darüber treffen können, ob Politiker überhaupt etwas in Aufsichtsräten zu suchen haben, und Vorschläge machen, wie man die Parlamente direkter einbinden kann.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind 28 Jahre alt und waren vor gut einem Jahr noch Student. Was befähigt Sie zum Job eines Chef-Aufklärers?
Delius: Es ist egal, ob jemand frisch im Parlament oder ein alter Hase ist. Eine Aufgabe dieser Bandbreite - wir sprechen hier von Akten aus mehr als 20 Jahren - ist für jeden eine Herausforderung. Aber als Pirat bin ich unvoreingenommen. Und ich werde mir Hilfe außerhalb des Parlaments suchen, über das Internet zum Beispiel. Ich kann mit digitalen Werkzeugen viel besser auf Feedback zurückgreifen als so mancher Parteisoldat.
SPIEGEL ONLINE: Inwiefern wollen Sie die Öffentlichkeit an der Aufklärung des Desasters beteiligen?
Delius: Wir werden live über den aktuellen Stand im Ausschuss berichten und Hinweise aus der Öffentlichkeit direkt in unsere Arbeit einfließen lassen. Wir planen eine Online-Plattform, auf der möglichst viele Dokumente rund um den Flughafen einsehbar und kommentierbar sind. Ausgestattet mit einem Personenregister und einem Verzeichnis für die einzelnen Sachbereiche. Nutzer sollen sich austauschen und anonym kommentieren können.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt nach einem Riesenaufwand, all der erhoffte Input will schließlich sinnvoll zusammengefügt werden. Wie wollen Sie das mit einer Handvoll Mitarbeiter für Fraktion und Ausschuss stemmen?
Delius: Im Gegenteil, die Öffnung wird die Arbeit erheblich erleichtern. Digitale Inhalte sind schneller zu durchsuchen als jeder Leitz-Ordner. Denken Sie nur an Guttenplag, die Plattform, auf der Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorarbeit durchleuchtet wurde. Wir Piraten glauben an die Kraft digitaler Hilfsmittel. Jeder einzelne Hinweis bringt einen Mehrwert. Außerdem sind wir nicht allein: Mindestens zwei Dutzend Piraten in Berlin und Brandenburg sind jetzt in die Vorbereitung des Ausschusses eingebunden. Wir hoffen auf Bürgerinitiativen und Experten, die sich der Aufklärungsarbeit anschließen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn das alles so einfach ist, warum werden Untersuchungsausschüsse nicht längst so aufgezogen?
Delius: Hier in Berlin hat die SPD überhaupt kein Interesse an neuen Wegen, die CDU sowieso nicht. Die Grünen brüsten sich zwar mit Transparenz, aber mehr als die Verkündung eines Modewortes kommt da bislang nicht.
SPIEGEL ONLINE: Kann der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Desaster politisch überleben?
Delius: Ich sehe nicht, wie Klaus Wowereit und die Berliner SPD diese Sache für sich zum Guten wenden wollen. Die Oppositionsfraktionen müssen verhindern, dass die SPD die Sache aussitzen kann. Wowereit hat das Projekt Flughafen zur Chefsache erklärt - und nun ist es gescheitert. Wie kann er jetzt noch als handlungsfähiger Politiker einer Regierungspartei überzeugen?
SPIEGEL ONLINE: Wie lange ist Wowereit noch zu halten?
Delius: Diese Entscheidung kann ich nicht treffen oder der SPD und Klaus Wowereit abnehmen. So oder so: Die Verantwortung trägt der Regierende Bürgermeister in jedem Fall.