Tiergarten-Attentat Russischer Geheimdienst versteckt offenbar Frau des mutmaßlichen Mörders

Tatort Kleiner Tiergarten in Berlin: Im August 2019 wurde hier Zelimkhan Khangoshvili erschossen
Foto: Christoph Soeder / dpaDer russische Inlandsgeheimdienst FSB hat offenbar auch die Ehefrau des mutmaßlichen Tiergarten-Mörders Vadim Krasikov mit einer falschen Identität ausgestattet. Das belegen neue Recherchen des SPIEGEL sowie der Investigativplattformen Bellingcat und The Insider.
Eine Analyse der Telefonverbindungen und Ortungsdaten zeigt, dass sie das Gerät am 6. Dezember 2019 am Moskauer Flughafen Domodedowo ausgeschaltet hat.
Ein ihr zuzuordnendes Telefon wurde wiederum am 7. Dezember auf der Krim in Betrieb genommen.
Vadim Krasikov steht in Berlin vor Gericht. Er soll im Sommer 2019 den Exil-Georgier Zelimkhan Khangoshvili im Auftrag des FSB am helllichten Tag im Kleinen Tiergarten in Berlin erschossen haben.

Gerichtsverfahren in Berlin gegen den mutmaßlichen Mörder Vadim Krasikov
Foto: Pool / Getty ImagesNach Recherchen des SPIEGEL und seiner Partner wurde Krasikov für den Mord in Berlin vom FSB mit einer falschen Identität ausgestattet. Vor der Tat hielt er sich regelmäßig in FSB-Liegenschaften, unter anderem in Trainingszentren für Spezialkräfte auf.
Dass der FSB seine Frau ebenfalls mit einer Tarnidentität ausgestattet hat, ist ein weiterer Beleg dafür, dass der russische Staat hinter dem Tiergarten-Mord steht. Der Kreml hat dem stets widersprochen.
Krasikov selbst bestreitet, überhaupt so zu heißen. Er heiße Vadim Sokolov, sagte er mehrfach, wie in den bei der Einreise in die EU vermerkten Ausweispapieren.
Ein FSB-Mann war mit an Bord
Begleitet wurde Ehefrau Krasikova auf ihrem Flug auf die Krim von ihrer Tochter. Die Passagierlisten des Fluges von Moskau auf die Krim weisen zwei Reisende unter anderem Namen auf, die zu Krasikova und ihrer Tochter passen: die angegebenen Geburtstage stimmen mit den echten überein, nur das Geburtsjahr wurde um jeweils ein Jahr verändert. Dass sich Ehefrau wie Tochter auf dem Flug befunden haben, darauf deutet die Auswertung ihrer Telefondaten hin.
Die Recherchen zeigen zudem, dass die Ehefrau eng durch Mitarbeiter des russischen Sicherheitsapparats begleitet wurde. In den Tagen nach der Enttarnung telefonierte sie über die Mobilnummer ihres Mannes häufig mit einem Mitarbeiter des FSB. Ein FSB-Mann war zudem an Bord ihrer Maschine von Moskau auf die Krim. Der Betroffene – offenbar ein Mann im Rang eines Generals – fliegt seither monatlich dorthin.
Er könnte womöglich auch für die Strafverfolger im laufenden Tiergarten-Verfahren von Interesse sein: Der Mann bemühte sich laut Dokumenten aus europäischen Konsulatskreisen im Februar 2019 im griechischen Generalkonsulat in Moskau um ein 90-Tage Visum, gültig für einen angeblich touristischen Aufenthalt in der Europäischen Union zwischen April und Oktober. In diesen Zeitraum fiel der Mord.
Die griechischen Behörden verwehrten dem 58-Jährigen allerdings das Papier und genehmigten einen Aufenthalt von einem Monat zwischen Ende April und Ende Mai. Es war offenbar kein attraktiver Zeitraum für den FSB-Mann. Eine Auswertung von russischen Reisedatenbanken zeigt, dass er in der Zeit offenbar nicht nach Europa flog.