Bespitzelte SPIEGEL-Reporterin FDP-Innenexperte moniert Eingriff in die Pressefreiheit
Berlin - Es ist eine dreiste und vermutlich illegale Überwachungsaktion gegen eine Journalistin: Gut ein halbes Jahr schnitt der Bundesnachrichtendienst (BND) die E-Mails der Reporterin Susanne Koelbl mit. BND-Präsident Ernst Uhrlau hatte die SPIEGEL-Frau am vergangenen Freitag darüber informiert und persönlich um Entschuldigung gebeten.
Bei Journalistenverbänden sorgt die Aktion für helle Aufregung. "Mit der Entschuldigung des BND gegenüber der betroffenen Kollegin ist es nicht getan", sagte Michael Konken, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV). Notwendig seien eine lückenlose Aufklärung und eine Erklärung, warum so eine Bespitzelung schon wieder passiert sei.
Die Deutsche Journalisten-Union (DJU) in der Gewerkschaft Ver.di forderte personelle Konsequenzen. Der Vorsitzende Malte Hinz sagte, offenbar halte sich der Auslandsgeheimdienst nicht an die vor zwei Jahren gemachte Zusicherung, dass Journalisten künftig nicht mehr überwacht würden.
Im November 2005 hatte sich die Affäre um die Journalisten-Überwachung zu einem Skandal entwickelt: Das Parlamentarische Kontrollgremium beauftragte den ehemaligen Vorsitzenden Richter des Bundesgerichtshofs, Gerhard Schäfer, mit Ermittlungen. Sein 2006 veröffentlichter Bericht bestätigte in gekürzter und anonymisierter Form, dass der BND jahrelang illegal Journalisten im Inland observiert und andere als Spitzel in der Medienbranche eingesetzt hatte.
In dem Bericht hieß es, die Bespitzelungsaktionen hätten bis 2005 stattgefunden. Koelbls E-Mails schnitt der BND nach SPIEGEL-Informationen in der Zeit vom 7. Juni bis zum 29. November 2006 mit.
BND-Sprecher Stefan Borchert stellte klar, dass eine Überwachung von Journalisten "dienstintern nach wie vor verboten" sei. Damit könnte Koelbl entgegen ausdrücklicher Anweisung und möglicherweise ohne Wissen der Behördenleitung von BND-Mitarbeitern bespitzelt worden sein.
"Eingriff in die Pressefreiheit"
FDP-Innenexperte Max Stadler bezeichnete den neuen Fall als "einen Eingriff in die Pressefreiheit". Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl, wie Stadler Mitglied im PKG, warnte vor politischen Schnellschüssen. Erst wenn die Frage beantwortet sei, was genau passierte, könne man urteilen, ob das Verhalten des Geheimdienstes gerechtfertigt sei.
Vize-Regierungssprecher Thomas Steg wollte sich "in der Sache nicht äußern". Zunächst müsse die BND-Information im Kontrollausschuss abgewartet werden, sagte er. Erst danach könne über mögliche Konsequenzen beraten werden. Der Fall soll am Mittwoch in dem für die Überwachung der Geheimdienste verantwortlichen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages zur Sprache kommen.
Die Bespitzelungsaffäre zieht mittlerweile Kreise bis nach Kabul: Ein Mitglied der afghanischen Regierung vermute, dass noch andere Kontakte zwischen afghanischen Politikern und deutschen Journalisten überwacht worden seien, berichtet die "Mitteldeutsche Zeitung".
Insgesamt sechs Minister der afghanischen Regierung lebten früher in Deutschland und verfügen teilweise über sehr gute Deutschkenntnisse. Das macht sie für deutsche Journalisten in besonderer Weise interessant.
ssu/AFP/ddp/dpa