
Energiewende: Lob von den Republikanern
Besuch in Berlin US-Republikaner lobt deutsche Energiewende
Berlin - William K. Reilly hat in seiner langen Laufbahn als Republikaner, Geschäftsmann und Regierungsberater schon viele politische Abenteuer erlebt. "Aber was ich gerade in Berlin mitbekommen habe, finde ich absolut atemberaubend", sagt der 71-Jährige.
Zwei Tage war er kürzlich in Deutschland unterwegs. Er leitete eine Delegation hochrangiger US-Vertreter. Die Kuratoriumsmitglieder des "Nicholas-Instituts für Umweltpolitik" der elitären Duke University wollten sich ein Bild vom Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung machen. Die Reise fiel mitten in die radikale Energiewende von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zu ihrem Erstaunen trafen die Besucher aus Amerika in Zentren der deutschen Macht auf Offizielle, die von der neuen Mehrheit in US-Politik im nettesten Fall als "Öko-Spinner" bezeichnet würde.
Amerikas Republikaner kennen keine Gnade, wenn es um Öko-Themen geht. Den Klimawandel bezeichnen sie gerne als "großen Schwindel". Hochgeschwindigkeitszüge als Alternative zum Auto gelten manchen von ihnen als "sozialistisch". Und die US-Umweltbehörde EPA wollen sie am liebsten entmachten. So einer wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der vor "Gegenwartsegoismus" warnt und auf "ökologische Modernisierung" setzt, würde von den meisten Republikanern in Washington als "liberal weirdo", als durchgeknallter Linker, eingestuft.
Doch Reilly hat kein politisches Amt in Washington. Und er ist ein besonderer Republikaner. Unter Präsident Nixon war er in die Bundesverwaltung eingetreten, dann wurde er Chef der amerikanischen Umweltstiftung WWF. Nachdem Dürre und Smog den Präsidentschaftswahlkampf von 1988 überschattet hatten, ernannte der Gewinner, der Republikaner George H. Bush, ihn zum Chef der Umweltbehörde EPA.
"Deutschland ist insgesamt auf dem richtigen Weg"
Bush senior versuchte damals, sich als "Umweltpräsident" zu profilieren. Das war unerhört. Sein ebenfalls republikanischer Vorgänger, Ronald Reagan, hatte als größten Umweltverschmutzer noch die Natur selbst gebrandmarkt - wegen des Laubfalls im Herbst. Reilly und Bush senior hingegen brachten gemeinsam die Verschärfung des "Clean Air Act" auf den Weg, die noch heute prägend für die Umweltpolitik der USA ist.
Inzwischen ist Reilly Geschäftsmann in verschiedensten Sektoren, darunter Erdöl und Wasser. Die Umwelt ist sein Herzensthema geblieben. Im Juni 2010 berief US-Präsident Barack Obama ihn deshalb als konservativen Vertreter an die Spitze der Untersuchungskommission zur BP- Ölpest im Golf von Mexiko. Obwohl er selbst im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Conoco sitzt, prangert Reilly die fehlende Sicherheitskultur der Ölfirmen bis heute an (siehe dazu das Interview in der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe).
In Berlin trafen sich Reilly und seine Delegation mit Klaus Töpfer, dem früheren Bundesumweltminister und Chef von Merkels Energie-Kommission, mit Industrievertretern und Umweltgruppen, sowie mit Spitzenbeamten der Bundesregierung. Was die US-Besucher hörten, ließ sie angesichts der polarisierten Umweltdebatte zuhause staunen. "Dass eine konservative Regierung sich wegen des Reaktorunfalls von Fukushima so schnell von der Kernkraft verabschiedet und obendrein auch noch die Kohlenutzung zurückfahren will, ist aus amerikanischer Perspektive fast unglaublich", sagt Reilly. Das seinen republikanischen Freunden auf dem Capitol Hill zu erklären, werde schwer.
Doch er will es versuchen. Im Gegensatz zu vielen internationalen Beobachtern, die Merkels 180-Grad-Schwenk als übereilt und hysterisch kritisiert haben, findet Reilly die neue deutsche Linie nämlich attraktiv. Er sieht die hohen Subventionen für erneuerbare Energien zwar kritisch. Und es werde auch nicht ohne höhere Erdgasimporte aus Russland gelingen, den Grundlaststrom aus Atomkraftwerken zu ersetzen. Die Grundrichtung sei aber gut. "Ich denke, dass Deutschland insgesamt auf dem richtigen Weg ist", sagt Reilly.
"Traditionell waren die Republikaner die Partei der Wissenschaft"
Gewöhnt daran, mit seinen ökologischen Positionen in der absoluten Minderheit zu sein, fühlte sich Reilly in Deutschland wie in einem großen Wunderland. Es wäre "ein großer Dienst an der Welt, wenn Deutschland als wichtige und erfolgreiche Volkswirtschaft beweisen könnte, dass sich mit erneuerbaren Energien Wohlstand erwirtschaften lässt", sagt er. Gelinge das, werde das auch die Amerikaner beeindrucken und vielleicht zu einem Sinneswandel bewegen.
Allerdings glaubt er nicht daran, dass ein solcher Sinneswandel kurzfristig realistisch ist. Im Gegensatz zu den Deutschen glaubten nämlich die meisten Amerikaner, dass die wichtigsten Umweltprobleme, nämlich schmutzige Flüsse und Smog, schon in den siebziger Jahren gelöst worden seien. Diese Sichtweise sei so falsch wie weit verbreitet. Enttäuschend findet Reilly auch, wie wenig Respekt seine Parteifreunde von den Republikanern der Klimaforschung gegenüber aufbrächten. "Traditionell waren die Republikaner die Partei der Wissenschaft, während wir die Demokraten als Gefühlsdusler darstellten", sagt er. Dass die Republikaner heute die Warnung von elf nationalen Wissenschaftsakademien vor einem gefährlichen Klimawandel durch menschliche CO2-Emissionen in den Wind schlügen, sei "schockierend".
Doch Reilly hat die Hoffnung nicht aufgegeben, ja er hat von seinem Deutschlandbesuch Hoffnung mitgenommen. Wenn die deutschen Konservativen es schafften, ihr Programm ökologischer zu machen, warum nicht irgendwann auch die US-Republikaner? Die Politik in Washington sei wandelbarer, als viele Ausländer glaubten. Eine große Dürre etwa könnte vieles verändern.
Sein alter Arbeitgeber, Präsident Bush senior, habe jedenfalls mit seinem Versprechen, Umweltpräsident zu sein, auch politisches Kapital geschlagen. "Er hat damals gezeigt, wie man den Demokraten das Umweltthema klaut", sagt Reilly. Er gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich eines Tages wieder ein Republikaner als Umweltpräsident profilieren werde.