Biblis-Laufzeiten Union ignoriert Merkels Machtwort im Atomstreit

"Der Vertrag gilt" - mit diesen Worten hatte Kanzlerin Merkel die Entscheidung von SPD-Umweltminister Gabriel gegen eine längere Laufzeit des AKWs Biblis widerwillig akzeptiert. Doch das Machtwort interessiert weder ihren Wirtschaftsminister noch die Unions-Fraktion.

Frankfurt am Main - Die Unionsfraktion hat Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wegen seiner Entscheidung gegen eine Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Biblis A scharf kritisiert und eine Fortsetzung ihres Widerstandes angekündigt. "In Sachen Biblis ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", sagte die umweltpolitische Sprecherin Marie-Luise Dött der "Berliner Zeitung". Eine Strommengenübertragung sei möglich. Gabriel dürfe dies nicht ohne Kanzleramt und Wirtschaftsministerium ablehnen. "Das müssen jetzt die Gerichte klären", betonte Dött.

Auch der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) unterstützt das Vorhaben des RWE-Konzerns, gegen die Ablehnung des Antrags zu klagen. Der CSU-Politiker verlangte in der "Passauer Neuen Presse", das Thema Atomenergie völlig neu zu diskutieren. "Die SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung herauskommen und sich den neuen Herausforderungen des Klimaschutzes stellen." Es sei gerade unter diesem Gesichtspunkt notwendig, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke zu verlängern.

Wirtschaftsminister Michael Glos beharrte auf dem Vetorecht seines Hauses. "Mein Haus hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, dem zufolge die drei beteiligten Ministerien - Kanzleramt, Umwelt- und Wirtschaftsministerium - eine Entscheidung sowohl bei Zustimmung als auch bei Ablehnung ... gemeinsam zu fällen haben", sagte der CSU-Politiker der "Wirtschaftswoche".

Die SPD warf der Union dagegen koalitionsschädigendes Verhalten vor. "Das ist verlogen bis zum Abwinken", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber der "Berliner Zeitung". Intern habe die Union mehrmals eingeräumt, dass der Antrag auf Laufzeitverlängerung für Biblis A laut Atomgesetz abzulehnen sei. Merkel und der Union gehe es offenbar nur darum, den Energiekonzernen eine Klage gegen die Entscheidung zu erleichtern und den rot-grünen Atomkonsens auszuhebeln.

Gabriel hatte im Gegensatz zu Kanzleramt und Wirtschaftsministerium am Freitag angekündigt, einen Antrag des RWE-Konzerns auf Übertragung von Reststrommengen des stillgelegten AKW Mülheim-Kärlich auf die hessische Anlage Biblis A abzulehnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte danach die Entscheidung Gabriels mit Hinweis auf die Rechtslage jedoch akzeptiert und nur politisch kritisiert. "Der Koalitionsvertrag gilt. Ich bin vertragstreu", sagte Merkel im ZDF. Dies bedeute aber nicht, dass die Union diese Entscheidung gut finde.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder will den Konflikt in den Koalitionsausschuss bringen. "Wie alle streitigen Fragen muss auch diese in den Koalitionsausschuss. Ich werde das beantragen", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". Damit rückt der seit Beginn der Koalition schwelende Streit um den Atomausstieg auf die Tagesordnung der Spitzen von Union und SPD, die sich am 16. April zu ihrer nächsten Beratung treffen wollen.

phw/AP/reuters

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren