AfD Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Björn Höcke

Björn Höcke soll das Foto eines Gewaltopfers missbräuchlich verwendet haben. Die Staatsanwaltschaft in Chemnitz hat nun Ermittlungen gegen den AfD-Politiker beantragt. Verwirrung um Aufhebung der Immunität.
Björn Höcke

Björn Höcke

Foto: Christoph Soeder/ dpa

Gegen AfD-Politiker Björn Höcke wird von der sächsischen Staatsanwaltschaft in Chemnitz ermittelt. Dem Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden wird vorgeworfen, das Foto eines Gewaltopfers missbräuchlich verwendet zu haben. Dabei geht es um Sophia L. Die Leiche der 28-Jährigen aus Bamberg war in diesem Sommer in Spanien gefunden worden. L. war als Tramperin unterwegs gewesen, die Behörden ermitteln gegen einen marokkanischen Lkw-Fahrer.

Das Foto von Sophia L. war beim sogenannten Trauermarsch, dessen Teilnehmer Höcke war, rund um die Krawalle in Chemnitz in Großformat platziert worden. Das Bild von Sophia L. wurde mit anderen Fotos von Opfern krimineller Taten auf dieser Demonstration von Teilnehmern gezeigt. Auch auf Höckes Facebook-Seite war das Bild anschließend zu sehen.

Wie die Staatsanwaltschaft in Chemnitz im Verlaufe des Freitag erklärte, habe sie beim Präsidenten des Landtags in Thüringen beantragt, "eine Entscheidung über die Genehmigung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens" gegen Höcke wegen "des Verdachts eines Vergehens" nach dem Kunsturhebergesetz herbeizuführen. Zur Verwendung des Bildes sei bei den Eltern als nächste Angehörige der Abgebildeten keine Einwilligung nachgefragt worden. "Ferner veröffentlichte Björn Höcke auf seiner Facebook-Seite ein Foto diese Aufzuges, auf dem auch der Träger mit dem Foto der Sophia L. zu sehen ist", heißt es in der Presseerklärung.

Staatsanwaltschaft widerspricht früheren Meldungen

Die Staatsanwaltschaft widersprach hingegen früheren Meldungen, die den Tag über auch auf SPIEGEL ONLINE kursierten, wonach sie um die Aufhebung der Immunität des AfD-Politikers beim Justizausschuss des Thüringer Landtags nachgesucht hatte.

Zuerst hatten NDR und WDR über die Aufhebung berichtet. Das allerdings hatte auch Höcke gegenüber dem SPIEGEL am Freitagvormittag in einer Mail seines Pressereferenten bestätigt, in der es ausdrücklich heißt: "Heute Morgen hat der Justizausschuss des Thüringer Landtages auf Antrag der Staatsanwaltschaft Chemnitz die Immunität des AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke aufgehoben."

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hielt dagegen im Verlaufe des Freitags fest: "Die Ermittlungen gegen Björn Höcke können erst eingeleitet werden, wenn eine Genehmigung des Thüringer Landtages vorliegt. Eine Aufhebung der Immunität wurde nicht beantragt; dies wäre erst veranlasst, wenn im Ergebnis der Ermittlungen gegen Björn Höcke ein hinreichender Tatverdacht vorläge und damit Anklage zu erheben wäre."

Die Immunität schützt Abgeordnete in Parlamenten vor strafrechtlicher Verfolgung. Solange ein Abgeordneter Immunität hat, ist eine Ermittlung gegen ihn ausgeschlossen.

Ob die Immunität gegen Höcke nach der Landesverfassung in Thüringen nun doch nicht aufgehoben wurde, blieb am Freitagabend unklar. Die Pressestelle des Landtags war nicht mehr erreichbar. Nach einem Bericht der Agentur dpa hatte allerdings der Justizausschuss des Thüringer Landtages "nach Angaben von Ausschussmitgliedern" die Immunität des AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke aufgehoben.

Ähnlich verlautete es am Abend vom Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen, Karl-Eckhard Hahn. Er schrieb am frühen Abend, im Thüringer Landtag sei das Immunitätsverfahren gestaffelt. "Erstmals muss die Immunität aufgehoben werden, wenn Ermittlungen eingeleitet werden. Wenn die Staatsanwaltschaft anklagen will, muss sie einen weiteren Antrag stellen", so der CDU-Sprecher. Die Praxis in den Bundesländern sei hier "uneinheitlich".

Höcke weist die Vorwürfe zurück

Höcke bestreitet die Vorwürfe, das Foto missbräuchlich verwendet zu haben. "Die gegen mich erhobenen Vorwürfe sind vollkommen haltlos", sagte Höcke dem SPIEGEL. "Auf meiner Facebook-Seite habe ich Fotos der Demonstration veröffentlicht, deren Teilnehmer ich war. Das heißt, ich habe eine öffentliche Veranstaltung auf meiner Facebook-Seite dokumentiert. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Hintergrund für die Ermittlungen ist eine Strafanzeige der Familie L., die sie im September gegen Höcke stellte. Dieser habe das Bild ihrer Tochter, die Juso-Vorsitzende in Bamberg war, "für die eigene Gesinnung instrumentalisiert" und "widerrechtlich öffentlich zur Schau" gestellt. So heißt es laut der ARD-"Tagesschau" in der Anzeige. Für die Familie sei dieses Vorgehen unerträglich gewesen.

Nach der Präsentation des Bildes in Chemnitz schrieb der Bruder von Sophia L. außerdem auf Twitter: "Keine Hetze mit dem Andenken meiner Schwester!" Bei der Bestattung seiner Schwester in Amberg hatte ihr Bruder erklärte, man könne sie nicht mehr schützen, aber wenn ihrem Namen, "wenn ihrer Liebe, wenn ihrer Haltung und ihrem Schicksal Gewalt angetan werden, weil manche meinen, damit Hass und Kälte verbreiten zu können - und menschenverachtendes Reden und Verhalten rechtfertigen zu können - ja, davor können und müssen wir sie schützen."

Andreas L., der Kreisrat der Grünen in Bamberg ist, hatte im Oktober in einem Interview mit einer Regionalzeitung erklärt, die Anzeige müsse er schon im Namen meiner Schwester machen. "Sie hätte das auch gemacht. Sie hätte auf keinen Fall gewollt, dass sie von irgendwelchen Rechten durch den Dreck gezogen wird", erklärte er. Man tue seiner Schwester damit wieder Gewalt an. "Und das sind die, die angeblich die deutschen Frauen beschützen wollen", so L.

Im Video: Herr Höcke und sein Holocaust-Mahnmal

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aev/sev
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