BKA-Umzug Union redet mit gespaltener Zunge
Berlin - Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, wurde am Mittwoch ungewohnt heftig. An Bundesinnenminister Otto Schily gewandt, der einen Teilumzug des Bundeskriminalamtes (BKA) befürwortet und in der aktuellen Stunde des Bundestags erneut verteidigt hatte, fragte sich der CSU-Politiker, ob "es richtig" sei, den gesamten Bundesnachrichtendienst (BND), 2000 Mitarbeiter des BKA und den Führungsstab der Bundeswehr nach Berlin zu holen. Er wolle nicht von "Zentralisierungswahn" sprechen, meinte Koschyk und rief dem kopfschüttelnden Innenminister zu: "Wir haben im Berlin-Bonn-Gesetz den Geist der föderalen Verteilung von Einrichtungen beschworen!"
Die Aufregung in der aktuellen Stunde des Bundestages war in erster Linie Interessenspolitik. Koschyks nebenbei geäußerte Kritik am Umzug des BND - der noch im bayerischen Pullach beheimatet ist - korrespondierte mit der Kritik zweier CDU-Kollegen aus dem Rheinland, wo ein Teil des BKA seinen Sitz in Meckenheim hat. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warf Schily eine "Politik nach Gutsherrenart" vor, der Minister solle gefälligst die Umzugspläne aufgeben. Und Norbert Röttgen verwies auf die hohen Kosten für die Verlagerung der Behörde in die Hauptstadt. Zwei Rheinländer und ein Oberfranke bei der Lobbyarbeit.
Doch so einhellig, wie die beiden CDU- und der CSU-Politiker am Mittwoch gegen den Umzug wetterten, ist die Lage in der Fraktion keineswegs. Wie in anderen Parteien auch wird der derzeitige Flickenteppich von Behörden- und Ministeriumssitzen unterschiedlich bewertet.
Beispiel Bundesverteidigungsministerium, das noch rund 90 Prozent seiner Mitarbeiter in Bonn hält: Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte die Gruppe Verteidigungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein umfassendes Papier zur Sicherheitspolitik erarbeitet. Kaum wahrgenommen wurde darin ein Absatz, der sogar noch über die Pläne von Verteidigungsminister Peter Struck hinausgeht, der nur den Führungsstab der Bundeswehr nach Berlin verlagern will. Darin plädierten die Verteidigungsexperten der Unionsfraktion dafür, das Verteidigungsministerium vollständig nach Berlin zu verlagern - ein Vorstoß, der den Berlin-Zauderern Koschyk, Bosbach und Roettgen vollkommen entgangen sein muss.
Was den Bundesnachrichtendienst angeht, der nach Wunsch des Kanzleramtes bis 2008 komplett von Pullach an die Spree soll - auch hier ist sich die Unionsfraktion gründlich uneinig. Noch am 14. November 2003 verschickten der Berliner CDU-Abgeordnete Roland Gewalt und sein sächsischer Kollege Arnold Vaatz gemeinsam eine Presseerklärung. Titel: "Der Bundesnachrichtendienst gehört in die Hauptstadt."
Die Argumente der beiden Christdemokraten klangen ein wenig wie jene, die der Sozialdemokrat Otto Schily benutzt, um den Teilumzug des BKA aus Wiesbaden und Meckenheim zu begründen. Auch in Deutschland, so die CDU-Politiker, habe der BND in erster Linie die Aufgabe, die Bundesregierung effektiv und auch zügig zu informieren: "Insofern ist es folgerichtig, wenn nunmehr der Deutsche Auslandsnachrichtendienst zukünftig seinen Sitz in der Hauptstadt hat."
Doch auch Gewalt und Vaatz betrieben - wie ihre westdeutschen Kollegen Koschyk, Bosbach und Röttgen - schlichte Interessenspolitik. Für Berlin und die neuen Bundesländer bedeute der BND-Umzug "natürlich" auch eine "willkommene Verstärkung der immer noch schwachen Strukturen".
Der Streit um den BND ging bis in diese Woche hinein. Für die letzte Fraktionssitzung hatte die CSU einen Antrag vorbereitet, der den Umzug des Nachrichtendienstes ablehnte. Doch die Berliner und ostdeutschen CDU-Parlamentarier lehnten ein solches Ansinnen ab - ebenso die Fraktionsführung.
Beschädigt aus dem Hickhack ging Fraktionschefin Angela Merkel hervor - sie hatte plötzlich am Dienstag einen Antrag gegen den BKA-Umzug in der Fraktion vorgelegt. Daraufhin opponierte die CSU - am Ende gab es keinen Antrag. Nun will die Union versuchen, das BKA-Papier mit Umzugsgegnern in den Reihen der SPD für einen gemeinsamen Antrag im Bundestag zu nutzen. Ob das klappt ist aber ebenso offen wie Überlegungen in den Reihen der CSU, doch noch einen eigenen BND-Antrag ins Parlament einzubringen.
Eines aber steht, trotz des öffentlichen Lamentos vieler Lobbyisten über die angebliche Bevorzugung der Haupstadt, fest: Noch ist Berlin nur eine "halbe Hauptstadt". Weiterhin sind mehr Beamte in den verbliebenen sechs Ministerien in ihren Bonner Dienstsitzen als in Berlin: 11.000 am Rhein, gegenüber 9000 an der Spree.