
Blasphemiegesetz Der Mohammed-Paragraf


Anti-Frankreich-Proteste in Pakistan am 26. Oktober
Foto: FAYAZ AZIZ / REUTERSIst es in Deutschland erlaubt, den gekreuzigten Jesus als "Lattengustl" oder "Balkensepp" zu bezeichnen? Die etwas vereinfachte Antwort auf diese juristisch komplizierte Frage lautet: Ja – aber nur, wenn dadurch keine Christenmenschen in weltlichen Aufruhr geraten. So ergibt es sich aus Paragraf 166 Strafgesetzbuch, einem Überbleibsel des mittelalterlichen Gotteslästerungsverbots. Dort steht: Wer ein religiöses Bekenntnis oder eine Kirche "in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft". Es kommt also weniger auf die Beschimpfung selbst an als auf die mögliche Reaktion der Gläubigen.
Nun muss man sagen, dass der Paragraf an deutschen Gerichten keine große Rolle spielt. Es gibt vielleicht eine Handvoll Fälle pro Jahr. Die meisten verlaufen im Sande, etwa der Kasus mit dem "Lattengustl", bei dem sich der bayerische SPD-Politiker Florian Pronold auf Satire berief. Es hatten sich auch nicht allzu viele fromme Katholiken drüber aufgeregt.
Man kann allerdings nur hoffen, dass sich der Beschimpfungsparagraf nicht bei jenen selbst ernannten Rechtgläubigen herumspricht, die eine kürzere Lunte haben als die Vertreter christlicher Barmherzigkeit. Nach den jüngsten Erfahrungen unserer französischen Nachbarn wird mir da mulmig. Weil Präsident Emmanuel Macron sich nach der islamistisch motivierten Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty zur Meinungsfreiheit bekannte und die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen verteidigte, flogen weltweit bei Muslimen die Sicherungen raus. Macron-Puppen und -Bilder gingen in Flammen auf. Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln wurde ein Mann mit Macron-Maske symbolisch ausgepeitscht.
Den Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens dürfte Macron also erfüllt haben. Sein Glück, dass Frankreich im Gegensatz zu Deutschland keinen derartigen Religionsschutz mehr kennt und seit über hundert Jahren Staat und Kirche voneinander getrennt hält.
Umso absurder, dass unser Rechtssystem die Islam-Fundis noch bestärkt
Es gehört zu den bitteren Erfahrungen der jüngeren Zeit, dass auch in Deutschland ein kleiner Teil der Muslime die Werte der Aufklärung ablehnt. Umso absurder ist es, dass unser Rechtssystem für diese Integrationsverweigerer einen Paragrafen bereithält, der sie in ihrem Wahn zu bestärken scheint. Und es steckt eine besondere Tragik darin, dass ausgerechnet Politiker von CDU und CSU das Gotteslästerungsverbot sogar verschärfen wollten, weil sie glaubten, das Kruzifix verteidigen zu müssen.
Ich halte Gotteslästerung, ob Mohammed-Karikatur oder "Lattengustl", in fast allen Fällen für ebenso unlustig wie geschmacklos. Aber Meinungsfreiheit ist wichtiger als religiöse Empfindlichkeit. Und wenn die Erregungsschwelle von Islam-Fundis darüber entscheiden sollte, ob man in Deutschland einen Witz über den Propheten machen darf, dann gute Nacht.