NSA-Affäre Ströbele rückt zum BND-Hausbesuch an

Grünen-Abgeordneter Ströbele (Archivbild): "Zur Not zelte ich vor dem Tor des BND"
Foto: Adam Berry/ Getty ImagesMit einem überraschenden Besuch beim Bundesnachrichtendienst (BND) hat der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele am Montagmorgen auf medienwirksame Weise versucht, die seit Tagen diskutierte Selektoren-Liste des amerikanischen Geheimdiensts endlich einzusehen. Nach einer spontanen Anmeldung tauchte der dienstälteste grüne Abgeordnete gegen 12 Uhr am streng bewachten Gelände des BND auf. Nach einer Überprüfung ließ man ihn sogar hinein.
Ströbele sitzt seit Jahren auch im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Nachrichtendienste. Mit dem heutigen Stunt wollte er erneut auf den dringenden Wunsch des Parlaments an die Regierung aufmerksam machen, die Suchbegriffe der Amerikaner endlich offenzulegen. Über die sogenannten Selektoren hatte der BND jahrelang seine Abhör-Datenbanken mit Telefongesprächen und E-Mail-Verkehr durchforstet und den Amerikanern entsprechende Daten übermittelt.
Ströbele verlangt seit Tagen die völlige Offenlegung dieser Listen, die mindestens 4,5 Millionen Einträge enthalten sollen. "Ohne die Listen können wir nicht einschätzen, was die Amerikaner suchten und ob dies in Ordnung war", sagt Ströbele, "deswegen bin ich heute zum BND gefahren." Leicht ironisch berichtete er von seinem Trip als "Kontrollbesuch", der streng geheim sei. Die Liste aber, so gesteht er ein, konnte auch er nicht einsehen. "Einen Versuch war es wert", so Ströbele.
"Zur Not zelte ich vor dem Tor des BND"
Immerhin aber gewährte der BND dem Abgeordneten einen Termin mit einem Experten. Fast zwei Stunden durfte der Gast aus Berlin-Kreuzberg mit dem Unterabteilungsleiter für den streng geheimen Bereich Technische Aufklärung (TA), dem Kernstück eines jeden Geheimdienstes, parlieren. Statt des Kontrollraums für die weltweiten Ohren und Augen des BND allerdings bot der Geheimdienst nur einen schnöden Besprechungsraum inklusive Kaffee an.
Fachkundig ist der BND-Mann, der bisher nur als D. B. bekannt ist, auf jeden Fall. Erst vergangenen Donnerstag war er als Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss vernommen worden. Der 55-jährige Berufssoldat ist eine Schlüsselfigur im Geheimdienstgeflecht zwischen BND und NSA. Denn exakt dieser Herr B. war es, der im Spätsommer 2013 nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden eine umstrittene Prüfung der US-Selektoren in Auftrag gab.
Was D. B. im Ausschuss berichtet, gibt bis heute viele Fragen auf. Angeblich handelte er damals ohne offizielle Anweisung von oben - eine Aussage, die im NSA-Untersuchungsausschuss bezweifelt wird. Als sein Mitarbeiter Dr. T., ein Mathematiker des BND, dann auf Tausende problematische Spähziele der Amerikaner stieß, will B. nach eigenen Angaben nie einen Vorgesetzten darüber informiert haben.
Ströbele darf über seine Lehrstunde mit dem Meister der Spionage-Algorithmen nicht reden. Ausführlich wies ihn der BND nach seiner kurzen Visite auf die strenge Geheimhaltung hin, in Pullach ist und bleibt alles strikt eingestuft. Immerhin aber, so sagt der Abgeordnete, habe er mittlerweile die Technik, wie der BND für die NSA nach Treffern gesucht habe, etwas besser verstanden. Auch wie die Selektoren technisch funktionierten, sei ihm "etwas klarer geworden".
Die brisante Liste aber blieb auch beim spontanen Besuch von Ströbele im Panzerschrank des BND. In den kommenden Tagen wird die Regierung entscheiden müssen, ob sie die US-Suchbegriffe und eine Liste mit 2000 konkreten Personen, darunter EU-Politiker, Behörden und Institutionen, dem Parlament zur Einsicht gibt. Ströbele jedenfalls will nicht nachgeben. "Zur Not zelte ich vor dem Tor des BND."