BND-Affäre Was hat der Maulwurf aus Pullach noch verraten?

Den BND-Maulwurf, der Geheimnisse an die USA verkauft haben soll, stellt Berlin als kleine Nummer dar. Doch der Mann besaß wohl immerhin die Informationen, wonach der deutsche Dienst auch die Türkei und Hillary Clinton ausspähte. Was weiß Markus R. noch?
BND-Eingang in Pullach (Archivbild): Ärger nach neuen Enthüllungen

BND-Eingang in Pullach (Archivbild): Ärger nach neuen Enthüllungen

Foto: Peter Kneffel/ dpa

Berlin - Die BND-Dokumente, die in diesen Tagen für Aufregung sorgen, lagen irgendwann auf dem Schreibtisch von Markus R. Der BND-Angestellte wurde im Juli festgenommen. Er soll die USA über zwei Jahre mit geheimen Papieren des deutschen Geheimdienstes versorgt haben.

Die Bundesregierung hat sich bemüht, den 31-Jährigen als unbedeutenden BND-Mitarbeiter darzustellen. Innenminister Thomas de Maizière sagte im Juli, der durch R. entstandene Schaden sei "lächerlich". Sein Kollege Wolfgang Schäuble ergänzte damals, er müsse über die Dummheit der USA "weinen", da diese solch drittklassigen Mitarbeiter des BND wie Markus R. anwarben.

Ob die beiden Minister das heute so noch sehen? Die Regierung in Ankara jedenfalls hat den deutschen Botschafter zum Gespräch wegen eines Papiers gebeten, das Markus R. verraten hat. Er lieferte den Amerikanern das "Auftragsprofil" des Dienstes. Nach SPIEGEL-Informationen geht daraus hervor, dass der deutsche Dienst den Nato-Partner Türkei als offizielles Aufklärungsziel führt.

Auch in Washington ist Schadenfreude zu spüren, wieder geht es um ein Papier, das Markus R. den Amerikanern gesteckt hatte. Er lieferte den Beweis, dass der BND Gespräche von US-Außenministern abgehört hat - angeblich als unbeabsichtigten Beifang. Die Bundesregierung bekommt nun eine Ahnung davon, wie es ist, wenn ein Geheimdienstmitarbeiter Infos weiterreicht.

R., der angeblich nicht an wichtige Informationen herankam, war offenkundig doch im Besitz von hochsensiblem Material. Welche Rolle hatte R. beim BND? Was kann er noch wissen?

Immer deutlicher zeigt sich, dass R. vielleicht kein Top-Agent im James-Bond-Format war und doch gerade wegen seines Jobs in der Bürokratie ein erstklassiger Informant. R. arbeitete in einer zentralen Verteilstelle von Informationen, der Registratur der Abteilung "Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen" in Pullach. Dort entwendete er das "Auftragsprofil" des Dienstes. Und er ließ wohl auch das sensible Gesprächsprotokoll von Hillary Clinton mitgehen. Nachdem ein Gespräch Clintons im Jahr 2012 mitgeschnitten wurde, bekam es BND-Chef Gerhard Schindler vorgelegt. Er verfügte die Löschung - die Aufgabe erledigen sollte ausgerechnet Markus R. Doch der machte offenbar zuvor eine Kopie.

218 Dokumente an die USA verkauft

R. flog auf, nachdem er am 28. Mai eine E-Mail an das russische Generalkonsulat in München geschickt hatte, in der er sich als Informant anbot. Im Anhang: drei interne BND-Dokumente. Diese E-Mail fing der Bundesverfassungsschutz ab, BND und Bundeskriminalamt nahmen Ermittlungen auf.

Als der 31-jährige R. dann Anfang Juli festgenommen wurde, erzählte er in der ersten Vernehmung ohne einen Anwalt erstaunten Beamten, dass er bereits seit zwei Jahren auch den Amerikanern geheime Materialien zuliefere. Seine Kontaktleute waren demnach US-Leute in Österreich. Es gab offenbar mehrere Treffen in Salzburg. R. lieferte Papiere, erhielt nach eigenen Angaben dafür 25.000 Euro. Auch zur US-Vertretung nahm er Kontakt per E-Mail auf.

Mindestens 218 Dokumente übergab er. Von fünf Aktenordnern ist die Rede. Er schmuggelte Dokumente nach Hause, scannte sie dort ein und bearbeitete sie so, dass die Herkunft unkenntlich war. Darunter sollen harmlose Papiere sein, aber auch etwa Anweisungen vom Kanzleramt an den BND oder Vermerke über Gespräche Schindlers mit ausländischen Geheimdienstchefs.

"Kleiner Angestellter, der weniger als 1500 Euro netto verdient"

R. kommt aus Chemnitz, hat eine Lehre als Bürokaufmann absolviert und arbeitete dann als Angestellter, nicht als Beamter, beim BND. Infolge eines Impfschadens gilt er als behindert. Er hat einen Geh- und einen Sprachfehler.

Die Bundesanwaltschaft lässt feststellen, in wie weit er schuldfähig ist. Sein Anwalt hat daran keine Zweifel, bemüht sich aber auch, seinen Mandaten als möglichst harmlos darzustellen. Im Interview mit dem SPIEGEL sprach er "von einem kleinen Angestellten, der weniger als 1500 Euro netto im Monat verdient" und für den "Geld eine gewisse Rolle gespielt haben" möge.

In der Tat ging R. naiv vor. Dass seine E-Mail an das russische Konsulat abgefangen werden würde, hätte er wissen müssen. Tatsächlich deutet bislang alles, was bekannt geworden ist, darauf hin: R. war, in den Worten seines Anwaltes, tatsächlich nur ein kleiner Angestellter beim BND - aber eben einer, über dessen Schreibtisch auch wichtige Dinge gingen.

fab
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