Bombardement in Afghanistan Guttenberg korrigiert Einschätzung des Tanklasterangriffs

Verteidigungsminister Guttenberg vollzieht die Kehrtwende: Aus heutiger Sicht sei der Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan "militärisch nicht angemessen" gewesen, sagte er im Bundestag. Dennoch will er den für das Bombardement verantwortlichen Oberst Klein nicht fallenlassen.
Bombardement in Afghanistan: Guttenberg korrigiert Einschätzung des Tanklasterangriffs

Bombardement in Afghanistan: Guttenberg korrigiert Einschätzung des Tanklasterangriffs

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Berlin - Drei Monate nach dem Luftangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster bei Kunduz hat die Bundesregierung ihre Bewertung des Vorfalls geändert. Dieser Angriff in Afghanistan sei "aus heutiger Sicht militärisch nicht angemessen" gewesen, sagte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Donnerstag im Bundestag in Berlin.

Nach Einsicht in alle Unterlagen müsse er festhalten, dass es Fehler gegeben habe, sagte Guttenberg weiter. Dennoch habe der zuständige deutsche Oberst Georg Klein, der den Angriff am 4. September anordnete, "zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen und zum Schutze seiner Soldaten" gehandelt. Guttenberg äußerte Verständnis für den Kommandeur, der in "kriegsähnlichen Zuständen" gestanden habe. Er werde daher Klein "nicht fallenlassen". An die Adresse der Opposition gewandt fügte Guttenberg hinzu, wer leise und laut Kritik übe, der sollte "prüfen, wie er in dieser Situation gehandelt hätte".

Als Begründung für seine Kehrtwende sagte Guttenberg, nicht alle Dokumente hätten ihm bei seiner ersten Bewertung vorgelegen. Nun müsse er aber seine Einschätzung vom 6. November korrigieren.

Kurz nach seinem Amtsantritt und aufgrund eines Nato-Berichts hatte Guttenberg die Luftschläge gegen die von Taliban entführten Tanklaster als militärisch angemessen bezeichnet. Bei den Angriffen waren am 4. September bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen oder verletzt worden, darunter zahlreiche Zivilisten.

Zunächst hatte der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung verkündet, es habe keine zivilen Opfer gegeben. Er berief sich dabei auf einen Untersuchungsbericht der Nato. Erst später räumte er ein, dass dies doch der Fall war. In der vorigen Woche dann meldete die "Bild"-Zeitung, es gebe einen bisher als geheim eingestuften Bericht der deutschen Feldjäger, die zwölf Stunden nach dem Angriff den Tatort untersuchten. In den Unterlagen sind sehr wohl Hinweise auf zivile Opfer zu finden. Ob Jung den Bericht, der dem Ministerium vorlag, nicht zur Kenntnis nahm oder sich wider besseres Wissens geäußert hat, ist noch unklar.

Lob von Bundeswehrverband

Wegen des Informationsdebakels war Jung von seinem Posten als Arbeitsminister zurückgetreten. Mit der Frage, wer wann was wusste, beschäftigt sich nun ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Der Bundeswehrverband begrüßte Guttenbergs Erklärung. Der Minister habe klargemacht, dass er zu Oberst Klein stehe und dass "Ungewissheit der Begleiter dieser militärischen Entscheidung sein musste", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Der entscheidende Punkt ist, dass Guttenberg sich klar zu Oberst Klein bekannt hat. Das ist die politische Größe, die wir auch brauchen."

Der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat hielt die Neubewertung für unzureichend. "Es genügt nicht zu sagen, das war militärisch angemessen oder unangemessen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Vom Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt erwarte ich, dass er das auch begründet." Guttenberg habe zwar von sich selbst den Druck genommen, doch werde er mit dieser Aussage weder Oberst Klein noch der Sache gerecht.

amz/ffr/ddp/Reuters/dpa/AP
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