Tübinger Oberbürgermeister Grünen-Landesspitze rechtfertigt Ausschlussverfahren gegen Palmer

Rund 500 Grüne fordern, dass Boris Palmer trotz seiner rassistischen Äußerungen in der Partei bleiben soll – schließlich sei er ein erfolgreicher Oberbürgermeister. Nun reagiert die Führung des Landesverbandes.
Demo gegen Boris Palmer in Tübingen

Demo gegen Boris Palmer in Tübingen

Foto: ULMER / picture alliance

Die Grünenführung im Südwesten hat das Parteiordnungsverfahren gegen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer gegen Kritik aus den eigenen Reihen verteidigt. »Wir Grüne haben in unserer Geschichte immer wieder bewiesen, dass wir eine streitbare Partei sind, die lebendig und offen diskutiert«, sagte eine Sprecherin des Landesverbands am Dienstag in Stuttgart. Sie reagierte damit auf einen Aufruf zugunsten Palmers von etwa 500 Parteimitgliedern.

»Abweichende Meinungen auszuhalten und Provokationen zu ertragen, gehört zum Parteileben selbstverständlich dazu.« Mit Blick auf Palmer sagte sie aber: »Grenzüberschreitungen des Sagbaren, bei denen Menschengruppen gegeneinander ausgespielt werden, gehören nicht zu einer gesunden Debattenkultur und nicht zu den Grundsätzen von Bündnis 90/Die Grünen.«

Der Landesparteitag im Mai vergangenen Jahres habe sich klar für ein Parteiordnungsverfahren gegen Palmer ausgesprochen. »Das schiedsgerichtliche Verfahren wird nun klären, was wir als Partei ertragen müssen und ob ein Parteiausschluss gerechtfertigt ist«, ergänzte die Sprecherin.

500 Grüne gegen Parteiausschluss

Rund 500 Mitglieder der Grünen hatten sich zuvor in einem Aufruf für einen Stopp des Parteiausschlussverfahrens gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer ausgesprochen. Unter dem Motto »Palmer bleibt grün« fordern Politikerinnen und Politiker wie die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon, und der ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende Ludger Volmer sowie mehrere Grünen-Landespolitiker, dass Palmer in der Partei bleiben darf.

Unabhängig von seinen teils provokanten Äußerungen sei Palmer ein erfolgreicher grüner Oberbürgermeister und ein wichtiger Stichwortgeber zur innerparteilichen Debatte, heißt es in dem bereits im Dezember im Internet veröffentlichten Aufruf, der sich an sämtliche Mitglieder des baden-württembergischen Landesverbands der Grünen richtet. Nach aktuellem Stand vom Dienstag wird er inzwischen von etwa 500 Menschen unterstützt.

In dem Aufruf, der von Mitgliedern des Tübinger Kreisverbands initiiert wurde, hatte es geheißen: »Wir erinnern an die in unserer Partei hochgehaltene Debattenkultur, die wir für besonders schützenswert halten. Menschen auszuschließen, nur weil sie in einer bestimmten Zeit, in der bestimmte Themen Hochkonjunktur haben, den Mainstream verlassen, halten wir für unsere Partei unwürdig.«

Palmer beleidigte Dennis Aogo rassistisch

Letzter Auslöser für das Ausschlussverfahren war ein Facebook-Beitrag Palmers, in dem er den ehemaligen Nationalspieler Dennis Aogo beleidigte. Palmer schrieb zunächst: »Der Aogo ist ein schlimmer Rassist.« Anschließend benutzte er – ebenfalls unter Bezug auf Aogo – einen rassistischen Begriff für das Geschlechtsorgan eines schwarzen Mannes.

Nachdem Kritik laut geworden war, behauptete Palmer, er habe seine Äußerungen ironisch gemeint. Später entschuldigte er sich und räumte einen Fehler ein: »Da hätte ich das Handy in der Tat besser weggelegt als die 65 Zeichen eingetippt«, sagte Palmer. Die Grünenführung sieht den Vorfall aber nur als Teil einer »langen Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen«.

Im Herbst stehen in Tübingen Oberbürgermeisterwahlen an. Der Grünen-Ortsverband will in einer Urwahl entscheiden, ob Palmer erneut kandidieren soll. Palmer ließ bisher offen, ob er noch einmal antritt.

slü/dpa

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