Brandstiftung im Sauerland "Eine rechtsradikale Einstellung besteht aus mehr als Fremdenhass"

Ein Feuerwehrmann zündet eine Unterkunft für Asylbewerber in Altena an - doch der Staatsanwalt sieht keinen politischen Hintergrund. Was passiert da im Sauerland? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Polizei vor Flüchtlingsunterkunft in Altena: Täter auf freiem Fuß

Polizei vor Flüchtlingsunterkunft in Altena: Täter auf freiem Fuß

Foto: Polizei Hagen

Was ist in Altena geschehen?

Am Samstag, 4. Oktober, wurde die Feuerwehr zu einem Brand in der sauerländischen Kleinstadt gerufen. Der Schwelbrand auf dem Dachboden des Mehrfamilienhauses konnte rasch gelöscht werden. In dem Gebäude waren seit dem Vortag sieben syrische Flüchtlinge untergebracht, darunter eine schwangere Frau. Verletzte gab es nicht, Nachbarn hatten die Bewohner rechtzeitig gewarnt. Bei der Suche nach der Ursache stießen die Ermittler auf Spuren von Benzin an den Dachbalken. Der Verdacht der vorsätzlichen Brandstiftung bestätigte sich.

Wer sind die Täter?

Der eingeschaltete Staatsschutz  konnte die Hintermänner des Anschlags schnell ermitteln. Ein 23-Jähriger hatte sich der Polizei gestellt. Er gab an, bei der nächtlichen Aktion Wache geschoben zu haben. Haupttäter ist jedoch ein 25-Jähriger, der ausgerechnet als Feuerwehrmann arbeitet. Er hat eingeräumt, durch den Keller in das Haus eingedrungen zu sein. Dann schlich er auf den Dachboden, goss das Benzin aus und legte Feuer. Offenbar wurde vorher das Kabel einer Brandmeldeanlage durchtrennt.

Brandmeldeanlage: Kabel gekappt

Brandmeldeanlage: Kabel gekappt

Foto: Polizei Hagen

Was ist das Motiv?

"Verärgerung über den Einzug von Flüchtlingen in das Wohnobjekt" - so haben die geständigen Männer bei einer Vernehmung am 8. Oktober laut Polizei ihre Tat begründet. Beide wohnen in direkter Nachbarschaft der Flüchtlingsunterkunft. Wie der Märkische Zeitungsverlag unter Berufung auf Ermittler berichtet , waren die Männer nicht alkoholisiert. Die Tat sei vermutlich nicht lange im Voraus geplant gewesen. Ein ehemaliger Ausbilder erklärte, der 25-jährige Feuerwehrmann habe ein "Problem mit Autoritäten" und sei in seiner Dienstzeit nicht gerade durch vorbildliches Verhalten aufgefallen.

Wie reagiert die Staatsanwaltschaft?

Hier wird es kompliziert. Denn der zuständige Staatsanwalt Bernd Maas schließt aus der Aussage der Männer: "Hintergrund ist eine persönliche Überzeugung, keine politische." Einen rechtsradikalen Beweggrund wollte er bei dem Brandanschlag nicht erkennen. Die beiden Männer wurden nach ihrer Befragung wieder auf freien Fuß gesetzt. Laut Polizei lagen "weiterführende Haftgründe" nicht vor. Beide Männer stammten aus stabilen sozialen Verhältnissen. Am Montag erklärte Maas laut "WAZ" : "Wären die Männer überzeugte Rechte, hätten wir anders geprüft, etwa ob ihnen die Reue, die sie zeigten, so abzunehmen ist."

Dachboden nach dem Anschlag: Feuer konnte gelöscht werden

Dachboden nach dem Anschlag: Feuer konnte gelöscht werden

Foto: Polizei Hagen

Was müssen die Täter nun befürchten?

Sollte die Staatsanwaltschaft nach dem Ende der Ermittlungen eine Anklage erheben, dürfte diese auf Brandstiftung lauten - nicht auf versuchten Mord. Hintergrund ist, dass der Brand auf dem unbewohnten Dachboden und nicht im Erdgeschoss gelegt wurde. Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs besagt allerdings, dass bei der Zumessung der Strafe "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Ziele berücksichtigt werden. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund kann in Altena wohl kaum bestritten werden. Der 25-Jährige wurde zudem mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert, seine Entlassung steht bevor.

Wie reagiert die Politik?

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour hatte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft scharf kritisiert: "Wenn die Staatsanwaltschaft solche Taten verharmlost, dann findet sich bald für jede Schandtat irgendwie eine 'Erklärung'", sagte er der "Bild am Sonntag". Der Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese (SPD) hatte in der "Bild" erklärt : "Ich halte die Einschätzung der Staatsanwaltschaft für falsch. Wer ein Haus anzündet, in dem syrische Flüchtlinge sind, der handelt aus fremdenfeindlichen Motiven."

Ermittler im Mehrfamilienhaus: Spurensicherung am Brandort

Ermittler im Mehrfamilienhaus: Spurensicherung am Brandort

Foto: Polizei Hagen

Wie reagiert Staatanwalt Maas auf die scharfe Kritik?

Er verteidigt seine Entscheidung. Am Sonntag erklärte er der Nachrichtenagentur dpa, die Männer seien nicht rechtsradikal, sondern sie hätten Angst vor Flüchtlingen in der Nachbarschaft gehabt. "Eine rechtsradikale Einstellung besteht aus mehr als Fremdenhass", sagte Maas. Laut "WAZ" reagiert der Staatsanwalt ungehalten auf die Kritik aus Berlin: "Die Politiker, die sich zu Wort gemeldet haben, sind ja selbst Juristen."

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