Brandenburg Machtkampf um CDU-Vorsitz
Potsdam In einem Diskussions-Forum im Internet lassen sich deftige Sätze lesen: "Ich glaube, ich kotze", schreiben da CDU-Mitglieder, von "mafiösen Methoden", die sich der CDU-Landesvorstand leiste, ist die Rede. Die Anhänger von Ulrich Junghanns, einem der Anwärter für das frei werdende Amt des Parteichefs, sind in Aufruhr.
Losgetreten wurde die Empörung durch eine Spontanaktion der Vorstandsmitglieder am Dienstagabend. Gegen Ende der Sitzung stimmten sie über ihren Favoriten für den künftigen Parteivorsitz ab. Denn der jetzige Landeschef (und Innenminister) Jörg Schönbohm gibt seinen Posten Ende Januar ab. Die Überraschung: Mit zwölf zu sieben Stimmen ging Junghanns` Rivale Sven Petke als Sieger hervor. Obwohl Schönbohm längst erklärte, dass er am liebsten Wirtschaftsminister Junghanns als Nachfolger sehen würde.
Spontane Abstimmung kurz vor Schluss
Doch scheint an dem Votum einiges faul. Nur eine Routinesitzung sollte es sein, in der sich der Vorstand zehn Tage vor dem Sonderparteitag in Frankfurt/Oder noch einmal beraten wollte. Eigentlich war die Konferenz schon fast vorbei, als der Kreisvorsitzende der uckermärkischen CDU, Jens Koeppen, einen überraschenden Wunsch auf die Agenda setzte: Der Vorstand möge sich in der Schönbohm-Nachfolge klar positionieren. Rückendeckung bekam er von Petkes Ehefrau, der Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche.
Was die Gemüter in Brandenburg aufregt: Der Landesvorstand war zu diesem Zeitpunkt nicht vollzählig, denn fünf der 25 Vorstandsmitglieder saßen gar nicht im Sitzungssaal inklusive der beiden Konkurrenten. Junghanns und Petke lieferten sich gerade ein Rededuell vor Parteifreunden im Süden Brandenburgs. Die übrigen drei Abwesenden sind als Junghanns-Sympathisanten bekannt.
In Anbetracht des eindeutigen zwölf-zu-sieben Votums hätte selbst eine vollständige Besetzung wohl nichts am Wahlergebnis geändert. Doch der Verdacht liegt nahe, dass Anhänger des Petke-Lagers nur auf die richtige Chance warteten, um mit der Blitz-Abstimmung ein deutliches Zeichen zu setzen.
Denn die Kontrahenten und ihre Anhänger liefern sich seit Monaten einen Machtkampf um Brandenburgs Parteispitze. Auf der einen Seite steht der 50-jährige Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, Wunschnachfolger von Noch-Parteichef und Innenminister Jörg Schönbohm. Ihm gegenüber steht der 39-jährige Sven Petke, Ex-Generalsekretär der Landes-CDU. Er verlor seinen Posten im vergangenen Herbst im Zuge der E-Mail Affäre. Petke wurde verdächtigt, elektronische Nachrichten der Parteispitze auszuspionieren. Daraufhin musste er von seinem Amt des Generalsekretärs der Landes-CDU zurücktreten. Nur einen Tag später verkündete er, für den Unionsvorsitz kandidieren zu wollen.
Ganz ausgestanden ist die E-Mail Affäre noch nicht: Zwar hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt, doch legten externe Wirtschaftsprüfer unmittelbar vor der Blitz-Abstimmung einen belastenden Bericht vor: Sie informierten den Vorstand darüber, dass aus der CDU-Zentrale nach wie vor ein Laptop und eine Festplatte mit E-Mail-Adressen tausender CDU-Mitglieder und Handynummern verschwunden seien.
"Abgekartete Nummer"
Nach der gestrigen Spontan-Wahl ist die Stimmung in Brandenburgs CDU am Brodeln. Abstimmungs-Verlierer Junghanns nannte das Vorgehen des Petke-Lagers "ruchlos". "Das ist eine reine Verzweiflungstat", fügte der Landesvize hinzu, "so kann man nicht verantwortungsvoll Politik machen." Noch-Parteichef Schönbohm bescheinigte den Vorstandsmitgliedern "fehlenden Anstand" und bezeichnete die Wahl als "abgekartete Nummer".
Wahlsieger Petke deutete die Vorstands-Aktion hingegen erwartungsgemäß als einen Vertrauensbeweis: Die Wahl gebe starken Rückenwind für seine Kandidatur und seine Mannschaft, sagt Petke. Kreisvorsitzender Koeppen, der die Wahl angezettelt hatte, verteidigte sein Vorgehen: Es sei das gute Recht der Basis, die Meinung des Landesvorstandes zu hören.
Personelle Empfehlungen des Landesvorstands gelten als Stimmungs-Indikator unter den Parteimitgliedern: Bereits in früheren Abstimmungen hatte sich die Basis an Vorschläge des Vorstands gehalten. Das gestrige Votum könnte also die Kandidaten-Kür am 27. Januar beeinflussen. Kritische Stimmen befürchten eine Spaltung der Landespartei, sollte Sven Petke wirklich gewählt werden. Und auch der Koalitionspartner SPD sieht ein stabiles Regieren gefährdet, wenn sich die Dauerkrise der Brandenburger CDU weiter fortsetzen.
mit Material von dpa, ddp