Brandenburg Scharfmacher contra Blockflöte
Es war ein Moment höchster Feierlichkeit. Im dezenten Anzug kam Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm zum Spatenstich für den Bau des neuen Großflughafens vor den Toren der Hauptstadt. Nur das Schuhwerk, das er für den historischen Moment gewählt hatte, fiel aus dem Rahmen.
Statt Glattleder trug Schönbohm rustikale Outdoor-Stiefel was dem stets korrekten Christdemokraten Nachfragen bescherte. Er müsse, sagte er, seine neuen Trekkingschuhe noch einlaufen, bevor es in den Urlaub ins ferne Patagonien gehe.
Während Schönbohm, 69, von Feuerland träumt, brennt es in der Heimat an allen Ecken und Enden. In welchem Zustand er seine Partei nach dem Südamerika-Trip wiederfinden wird, ist mehr als ungewiss.
Denn im fortgeschrittenen Alter ist dem Ex-General sein letztes politisches Manöver misslungen: der geordnete Rückzug vom Amt des Landesvorsitzenden. Ausgerechnet sein politischer Ziehsohn, der bisherige CDU-Landesgeneralsekretär Sven Petke, 38, rief sich vergangene Woche gegen den Willen des Alten zum Bewerber aus - und soll nun von Schönbohms Wunschkandidaten, Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, gestoppt werden.
So heftig kämpfen inzwischen die Anhänger beider Anwärter, dass sich nicht nur CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in den Konflikt eingeschaltet hat. Sogar Parteichefin Angela Merkel ließ sich unterrichten. Die Schilderungen müssen für sie irgendwie vertraut geklungen haben: Denn wie die Große Koalition im Bund ist auch jene in Potsdam in Gefahr.
Platzeck soll die CDU schon vor dem Bruch gewarnt haben
Tatsächlich steht viel auf dem Spiel in diesem märkischen Schlachtfest. Angeblich ließ Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) seinen Stellvertreter Schönbohm wissen, was passieren könne, wenn die Union unberechenbar werde. Es gebe in seiner Partei schon jetzt Leute, die lieber mit der Linkspartei als mit der Union regieren würden.
Unberechenbar - das ist vor allem der Ruf des Landtagsabgeordneten Petke. Mal bezeichnete er einen Lehrer als "kleinen verschissenen Beamten", dann forderte er schneidig die Amtsenthebung eines Richters. Mehrfach wurde gegen ihn ermittelt. Unter Sozialdemokraten ist der rhetorisch begabte, aber für seine "charakterlichen Defizite" (Schönbohm) in Verruf geratene Petke verhasst.
Und so wird inzwischen in Potsdam das finale Szenario für die Koalition debattiert. Übernimmt Petke die Partei, wird er früher oder später Ansprüche auf Ministerposten für sich und seine Unterstützer anmelden. Forderungen, denen Platzeck nicht folgen kann - die CDU würde in die Opposition getrieben.
Und Petkes Chancen, die Union zu übernehmen, stehen nicht schlecht. Auf Parteikonferenzen will er seinen Gegenkandidaten stellen. Es würde das Duell eines Scharfmachers mit einer Blockflöte: Junghanns, 50, dürfte es schwer haben. Bis heute hat er den Charme eines LPG-Vorsitzenden. Und das nicht ganz zufällig: Der gelernte Staatswissenschaftler war der letzte Chef der DDR-Bauernpartei. Noch im Mai 1989 lobte er die "Gemüse- und Zierpflanzenproduktion" der Hauptstadt-LPGs "Frohe Zukunft" und "1. Mai", deren Bestarbeiter sich durch "Liebe zum Boden und zum Tier" auszeichneten.
E-Mail-Affäre mit noch ungewissem Ende
Wenn er heute im Landtag das Wort ergreift, dann bastelt er Sätze, die länger sind als der langanhaltende Beifall auf SED-Parteitagen. Und auch seine Konfliktfreude gilt als nicht besonders ausgeprägt. "Der Ulli", so lästern Sozialdemokraten, "der koaliert auch noch mit 11 Prozent."
Genau deshalb hatte auch Schönbohm lange zu Petke gehalten und dessen Kopf aus allerlei Schlingen gezogen. Doch die letzte war dann wohl doch etwas zu gut geschnürt: Der frühere Internet-Verantwortliche des CDU-Landesverbandes, der Jungunionist Daniel Schoenland, stritt sich mit der CDU um Geld und erhob plötzlich schwere Vorwürfe. Petke habe seine Leute beauftragt, den E-Mail-Verkehr der Parteifunktionäre "überwachen" zu lassen, Minister und Fraktionschef inklusive.
Noch ist die vermeintliche "E-Mail-Affäre" alles andere als aufgeklärt. Datenschützer, Rechtsanwälte und Ermittler sind mit der Sache betraut, Petke bestreitet alle Vorwürfe beharrlich. Doch egal wie die Sache juristisch ausgeht: Das politische Urteil vieler über den einstigen Verfassungsschützer Petke steht fest. Denn sie trauen dem einstigen Spionageabwehr-Mann jede Gemeinheit zu. Auch Schönbohm zeigt sich inzwischen "menschlich tief enttäuscht" und fühlt sich "ausgetrickst".
Sogar im Endspiel der politischen Beziehung Schönbohm-Petke hat der einstige Zögling des CDU-Chefs wohl nicht mit offenen Karten gespielt. Nach einer Partie Tennis, einem Gespräch mit der Frau und drei Flaschen Bier hatte Schönbohm sich vorvergangene Woche dazu entschlossen, Petke zu feuern. Der soll sich bei dem letzten Gespräch einsichtig gegeben haben - kein Wort von einer eigenen Kandidatur. Und noch etwas kommt Schönbohm im Nachhinein spanisch vor: dass Petke bei dem finalen Treff mit ähnlichen Worten wie Unionsgeneralsekretär Pofalla von der Entlassung abriet.