Bremenwahl Grün gewinnt, grün bestimmt

Bei den Bremer Grünen herrscht Wünsch-dir-was-Stimmung. In jeder Bündnisvariante spielen sie die zentrale Rolle. Ob Jamaika oder Rot-Rot-Grün: Die Entscheidung wird über die Stadt hinauswirken.
Grünenchefin Annalena Baerbock, Bremens Grünenspitzenkandidatin Maike Schaefer: Mit wem wollen wir gehen?

Grünenchefin Annalena Baerbock, Bremens Grünenspitzenkandidatin Maike Schaefer: Mit wem wollen wir gehen?

Foto: Felipe Trueba / EPA-EFE/REX

Die Grünen sind in Bremen in Pokerlaune: Denn jeder will sie, jeder braucht sie. Doch so einfach ist die Ökopartei nach ihrem starken Wahlergebnis von voraussichtlich 17,5 Prozent für ein Bündnis nicht zu haben - weder für die CDU, die nach ihrem knappen Wahlsieg eine Koalition mit Grünen und FDP bilden will, noch für ihren bisherigen Koalitionspartner SPD, der trotz historischer Niederlage auf Rot-Rot-Grün hofft.

Das Selbstvertrauen ist groß. Das zeigt sich am Morgen nach der Wahl. Hermann Kuhn, Landesvorsitzender der Grünen, ist mit Vertretern der anderen Parteien in die Bremer Bürgerschaft gekommen, um vor Journalisten das Wahlergebnis zu analysieren. "Die Wahl ist ein klares Signal für einen Aufbruch, für eine neue Regierung", sagt er.

Doch was heißt das? Aufbruch nach Jamaika? Jene Dreierkonstellation, die nach der Bundestagswahl in den Sondierungen geplatzt war. Aufbruch für Rot-Rot-Grün, ein Bündnis, das es so im Westen noch nicht gab?

Wie teuer verkaufen sich die Grünen?

Kuhn lässt sich nichts entlocken, bis auf etwas Kritik an SPD und Linken. Die Grünen seien wegen ihrer Inhalte und der Regierungsarbeit gewählt worden und "nicht für Koalitionsaussagen", sagt er und spielt damit auf die Sozialdemokraten an, die mit ihrem Ausschluss einer Großen Koalition kurz vor den Wahlen noch auf ein Stimmenplus hofften. Auch die Grenze zur Linken wird abgesteckt: "Wir sollten nicht wieder in die Schuldenfalle geraten", sagt Kuhn. Die Linken fordern seit Längerem die Abschaffung der Schuldenbremse.

Zur CDU und ihrem Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder (lesen Sie hier ein Porträt aus dem Wahlkampf) kommt vorerst kein Wort. Doch was heißt das schon.

Selten waren die Grünen in einer so komfortablen Situation. Die SPD hat sich festgelegt, sie will nicht mit der CDU. Damit bleiben nur noch zwei Optionen: Jamaika oder Rot-Rot-Grün. Die Ökopartei ist somit der Königsmacher in Bremen - und das wollen sie sich möglichst teuer bezahlen lassen.

Der Grünenvorsitzende im Bund, Robert Habeck, hat den Bremer Parteifreunden in Sachen Bündnispartner freie Hand gelassen. Doch ganz gleichgültig wird der Bundesspitze die Entscheidung nicht sein.

Denn die könnte weit über die Bremer Stadtgrenzen hinaus ausstrahlen und Auswirkungen auf künftige Wahlen haben, etwa im Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Die Grünen müssen sich die Frage stellen: Wollen wir eher links blinken oder in einem Bündnis mit der CDU den bürgerlicheren Weg einschlagen?

Rot-Rot-Grün gilt laut Umfragen bundesweit derzeit als beliebte Option, wenn es um künftige Bündnisse geht - und in den neuen Ländern schneidet Die Linke traditionell stärker ab. In Thüringen regiert seit 2014 ein rot-rot-grünes Bündnis mit Bodo Ramelow als linkem Ministerpräsidenten. Die Entscheidung in Bremen könnte als Vorzeichen für die anstehenden Wahlen gedeutet werden - und darüber hinaus.

Das Problem mit Linken und der FDP

In Bremen geht es nun aber erst mal darum, die Optionen auszuloten. Dass die CDU bereit ist, sehr weit auf die Grünen zuzugehen, zeigte sich schon am Wahlabend. Die erste Hochrechnung war noch frisch, da machten sich bereits die ersten Abgeordneten auf den Weg aus der historischen Altstadt zu den Grünen, um ihnen zu gratulieren - und sie zu umwerben. "Jemand muss vegane Kekse für die Koalitionsgespräche backen", juxte der Abgeordnete Jens Eckhoff.

CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, FDP-Kollegin Lencke Steiner, SPD-Bürgermeister Carsten Sieling

CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, FDP-Kollegin Lencke Steiner, SPD-Bürgermeister Carsten Sieling

Foto: Fabian Bimmer / Reuters

Als Eckhoff auf der Party ankam, war der Fraktionschef schon da. Andere folgten. Das Klima zwischen CDU und Grünen ist gut in Bremen, man kennt sich schon seit Jahren aus der Bürgerschaft. Die Bereitschaft für einen Wechsel war bei der Ökopartei wohl noch nie so groß wie nach dieser Wahl. Zumal die CDU ihr vermutlich in den kommenden Tagen den roten Teppich ausrollen wird: Denkbar wäre etwa eine autofreie Innenstadt bis 2030, wie von den Grünen gefordert. Über einen Ausstieg der Hansestadt aus dem Kohlestrom würde die CDU wohl ebenfalls mit sich reden lassen. Auch den hatten die Grünen mit Verweis auf den Klimawandel im Wahlkampf gefordert.

Es könnte alles sehr einfach sein, wäre da nur nicht die FDP mit ihrer Spitzenkandidatin Lencke Steiner. Steiner wirbt jetzt zwar eifrig für Jamaika, "um für Bremen einen echten Wechsel zu erzielen": Es gebe durchaus große Gemeinsamkeiten mit den Grünen, beteuert sie, etwa im Bereich Bildung, bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Bremen oder der Reform der Verwaltung.

Im Wahlprogramm schreiben die Liberalen aber auch, dass sie Bremen "wieder stärker als Autostadt begreifen" wollen. Und Steiner kennen viele noch von ihren Auftritten als Investorin in der Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen". Dem "Weser Kurier" erzählte die junge Unternehmerin von ihrem BMW 650i Cabriolet, "450 PS, ordentlich Bums". Wenn sie damit durch Gröpelingen fahre, "dann feiern mich die migrantischen Jungs richtig ab", sagte sie. Die wollten nämlich auch so einen Wagen.

Bei den Grünen kommen solche Sätze ungefähr so gut an wie die strahlenden Altlasten aus einem Atomreaktor. "Unserer Basis ist so etwas nur schwer vermittelbar", sagt eine Spitzengrüne dem SPIEGEL. Dabei gebe es auch reichlich Vorbehalte gegenüber den Positionen der Linken. Unterm Strich sei die gemeinsame Schnittmenge jedoch "größer mit den Linken als mit der FDP".

Nach zwölf Jahren in einer Regierung mit den Sozialdemokraten hätten viele bei den Grünen schon die Nase voll, sagt ein Abgeordneter, "weil mit der Bremer SPD nicht immer gut Kirschen essen war". Drei Senatoren stellten die Grünen im Bremer Senat, darunter das wichtige Finanzressort. Trotzdem habe es immer wieder Konflikte gegeben, "vor allem bei Umweltthemen und Klimaschutz". Die Lust auf einen Neuanfang ist groß. Darum starten die Grünen erst einmal offen in die Sondierungsrunde.

Gezerre zwischen jungen und alten Grünen

Danach entscheiden allerdings die Mitglieder auf einem Parteitag, mit wem überhaupt Koalitionsgespräche aufgenommen werden sollen. Dort gibt es die in die Jahre gekommenen bürgerlichen Grünen und junge Aktivisten und Umweltschützer, "die eher ein Linksbündnis favorisieren werden".

Wenn es nur um Schwarz-Grün gehen würde, "hätte das eine realistische Chance", sagt ein Grünenabgeordneter, "dass wir Jamaika durchkriegen, halte ich bei dieser FDP für unwahrscheinlich".

Erste Gesprächstermine zwischen CDU und Grünen sind bereits vereinbart. Mit der SPD stehen diese noch nicht fest. "Himmelfahrt wäre gut", sagt Grünen-Politiker Hermann Kuhn bei der Wahlanalyse in der Bremer Bürgerschaft und schaut zur SPD-Landesvorsitzenden Sascha Aulepp.

"Wäre ja auch ein passendes Kommando", spöttelt CDU-Politiker Jens Eckhoff.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten