Bremen-Wahl Leuchtfeuer von Nordwest
Drei Jahre, bevor Joschka Fischer und Gerhard Schröder im Bund die erste rot-grüne Regierung bildeten, entschied sich der ehemalige Nicaragua-Revolutionshelfer Henning Scherf 1995 für eine staubtrockene Große Koalition obwohl Rot-Grün möglich gewesen wäre und seine Partei nichts anderes wollte. Doch die Bremer SPD fügte sich dem Willen des Charismatikers Scherf; ein Politiker übrigens, der das Zeug für Bellevue gehabt hätte, aber dann stets lächelnd und immer alle umarmend, die im Wege standen - seine private Basta-Politik in Bremen machte.

Satellitenschüssel vor dem Symbol Bremens, dem Steinernen Roland: Bloß nicht den Mehltau der Großen Koalition im Vorgarten
Foto: DDPEine Dekade hat Scherf diese Koalition zusammengehalten und alle internen Konflikte weggestreichelt. Doch nach seinem Abgang 2005 wurde die Koalition von Christ- und Sozialdemokraten heute Abend abgewählt. Das kann man gut verstehen. Wenn man schon das Berliner Elend von Fake-Reformen und inszenierten Debatten jeden Tag gegenwärtigen muss, will man nicht unbedingt, dass einem der Mehltau der Großen Koalition auch noch zu Hause in den Vorgarten regnet.
Das Bremer Bündnis der beiden Volksparteien hat dem Land zwar bessere Wirtschaftsdaten beschert und die Hochschullandschaft aufpoliert. Aber an zwei wesentlichen Fragen scheiterte diese vor allem als "Management plus Kumpel-Präsident" betriebene Politik: Die Staatsverschuldung in Bremen ist nach wie vor horrend und die Arbeitslosigkeit bedrückend hoch. Letzteres wird auch eine rot-grüne Koalition nicht weghexen können aber dass Ausgabendisziplin und Generationengerechtigkeit wichtige politische Themen sind, mit denen man übrigens reüssieren kann, haben die Grünen längst begriffen.
Regierungsbeteiligung wäre wie ein Wolkenbruch in der Wüste
Für die Partei, die einst von Joschka Fischer geführt wurde, wäre die Regierungsbeteiligung in Bremen so etwas wie ein Wolkenbruch in der Wüste. Denn Opposition hat diese Post-68er-Formation inzwischen eigentlich verlernt. Opposition, zumal zwischen einer stets fröhlich trompetenden FDP und der für alles eine Lösung parat habenden Linkspartei macht außerdem etwa soviel Spaß wie jeden Tag Ikea-Regale zusammenbauen, die man hinterher noch nicht mal behalten darf.
In kaum einer Partei drängeln sich so viele ehemalige Staatssekretäre und frühere Minister wie bei den Grünen sie wollen regieren, sie glauben sogar: sie müssten regieren - aber sie werden kaum noch gebraucht. Wenn Rot-Grün über Bremen wieder ins politische Angebot der Bundesrepublik zurückkehrt, werden die Bütikofers, Künasts, Trittins und Roths in Berlin demnächst vielleicht einen weniger verlorenen Eindruck machen. In der Bundeshauptstadt wirken sie meistens wie bestellt und nicht abgeholt. Bremen das wäre wenigstens ein kleiner Aktivposten, ein Leuchtfeuer von der Weser.
Für die Linkspartei ist der heutige Abend so etwas wie der D-Day in der neudeutschen Politik. Seit 17 Jahren will Gregor Gysi seine aufgehübschte und gleichzeitig auf Allmachts-Diät gesetzte SED in den Westen quasseln nun hat er es im Verein mit dem größten Saarländer aller Zeiten und einer Apanage aus linken Gewerkschaftern und westdeutschen Marxianern an der Weser geschafft. Ein Wunder? Nein. Vor allem ein Beleg dafür, dass es im Westen eine politische Entsprechung von Ostalgie gibt. Die westdeutschen Akteure der Linkspartei möchten einen westdeutschen Sozialstaat wiederhaben, den es in seiner behaupteten Sicherheit so nie gegeben hat. In ihrer diffusen, aktionistischen Sozialschwärmerei hat die linke Truppe sogar übersehen, dass in Bremerhaven ein Rechtspopulist auf ihrer Liste kandidierte. Peinlich? Schon, aber macht nix.