
Kampfpanzer "Leopard": Deutschlands gefährlichster Exportschlager
Umstrittener Panzerdeal mit Katar Deutschlands gefährlichster Exportschlager
Berlin - Der geplante Verkauf von mehreren hundert Kampfpanzern an Katar stößt auf scharfe Kritik. SPD, Linke und Grüne forderten am Montag die Bundesregierung auf, das mögliche Milliardengeschäft der Firma Krauss-Maffei Wegmann mit dem monarchisch regierten Emirat zu untersagen. Auch aus der Union dringt Skepsis. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), warnte gegenüber SPIEGEL ONLINE davor, "die Aufrüstungsspirale in der Golfregion zu beschleunigen."
Die Bundesregierung hat inzwischen offiziell bestätigt, dass der Golfstaat am Erwerb von deutschen Kampfpanzern interessiert ist. Nach SPIEGEL-Informationen will Katar bis zu 200 "Leopard-2"-Kampfpanzer im Wert von fast zwei Milliarden Euro kaufen. Der mögliche Deal befeuert die Debatte darüber, ob sich Deutschland schleichend vom Grundsatz verabschiedet, in Krisenregionen keine Waffen zu liefern. In den vergangenen Monaten hatten Pläne für deutsche Panzerlieferungen an Saudi-Arabien und nach Indonesien für Aufregung gesorgt.
Brisantes Papier kursierte beim Nato-Gipfel
Die nun bekannt gewordene Anfrage aus Katar kommt für Kanzlerin Angela Merkel zu einer ungünstigen Zeit. Denn die Bundesregierung arbeitet im Stillen daran, deutsche Waffenexporte über den Umweg der Nato und vorbei an den strengen Regeln der Bundesrepublik in die Golfregion leichter denn je zu machen.
Bereits beim Nato-Gipfel im vergangenen Mai in Chicago versuchte die Bundesregierung eine Liste von Drittstaaten aufzustellen, mit denen Rüstungsgeschäfte aus strategischen Gründen erlaubt sein sollten. Auch, um heikle Waffenexporte innenpolitisch rechtfertigen zu können.
Unter der Überschrift "Erweiterung der Nato-Agenda: Rüstungskooperation mit Nato-Partnern" präsentierten die Deutschen ein Papier, das es in sich hat. Zwar diplomatisch verbrämt, aber in der Sache klar, sieht das Konzept, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, eine Erleichterung von Rüstungsexporten für sogenannte Partner vor.
- De facto würde damit über die Nato erreicht, dass Deutschland an bestimmte Länder, allen voran die Golfstaaten, auch schwere Waffen liefern darf. Als von der Nato definierter Partner dürfte dies ohne das mühselige Prozedere des Bundessicherheitsrats geschehen. Normalerweise entscheidet das geheim tagende Gremium unter dem Vorsitz der Kanzlerin über Waffengeschäfte mit dem Ausland. Faktisch würde eine solche Reform die deutschen Hürden bei Rüstungsexporten aushebeln.
- Recht konkret beschreibt das Papier, dass die Nato in den vergangenen Jahren verschiedene solcher Partnerschaften im Sicherheitsbereich geschlossen habe und diese erweitern sollte. "Vor diesem Hintergrund", so der Sprechzettel für den Nato-Gipfel, "schlägt Deutschland vor, die möglichen Vorteile von Rüstungskooperationen mit diesen Nato-Partnern und relevanten regionalen Organisationen weiter auszubauen". Deswegen solle das Bündnis prüfen, wie man die militärischen Fähigkeiten der Partner stärken kann und wann das im Interesse des Bündnisses sei.
- Eine Liste möglicher Länder nennt das Papier nicht. Gleichwohl werden als potentielle Kandidaten Truppensteller bei Nato-Missionen wie in Afghanistan, oder auch der Kooperationsrat der Golf-Nationen (GCC) genannt. Die Stoßrichtung ist damit klar - hatten doch Länder wie Katar die Nato massiv bei der Libyen-Mission unterstützt. Andere Nationen, selbst das fundamentalistische Regime in Saudi-Arabien, gelten nach dieser Lesart als strategische Partner, da sie in der Region ein Gegengewicht zu Iran herstellen. Letztlich, so jedenfalls die kritische Lesart des Vorstoßes, würde Rüstungsexporten in Krisenregionen damit Tür und Tor geöffnet.
In Chicago spielte das deutsche Papier noch keine große Rolle. Nur Insider interessierten sich für die Volte aus Berlin, zumal die Öffentlichkeit auf die Afghanistan-Frage konzentriert war. Die Regierung jedoch treibt das Vorhaben hinter den Kulissen weiter voran. In den kommenden Monaten soll die deutsche Nato-Mission in Brüssel weiter für eine neue strategische Ausrichtung werben.
Mit der Diskussion um die Katar-Lieferung droht Merkel nun eine breite Diskussion über ihre still geplante Rüstungs-Revolution. Das dürfte der Kanzlerin und ihrem Apparat kaum passen.
"Absolut unverhältnismäßig"
Katja Keul, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, bezeichnete das geplante Geschäft als "absolut unverhältnismäßig. Hier versucht man, wirtschaftliche Interessen krampfhaft mit einem angeblichen Sicherheitsinteresse zu rechtfertigen", sagte sie SPIEGEL ONLINE. Der einzige Grund für eine solche Lieferung sei "die Zahlungskraft des ölreichen Emirats". Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt.
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler monierte, die politischen Richtlinien der Bundesrepublik verböten die Lieferung von Kriegswaffen in Spannungsgebiete. "Ein besonderes deutsches Sicherheitsinteresse lässt sich weder bei Saudi-Arabien noch Katar erkennen", so Erler. Auch die Linke warnte vor Panzerlieferungen in die arabische Welt. "Das freie Fluten deutscher Waffen in die Golfregion muss endlich aufhören", sagte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Er sprach von einer "moralischen Bankrotterklärung" der Bundesregierung.
Kritik kommt auch aus Merkels eigenen Reihen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), forderte, die Bundesregierung müsse das Parlament frühzeitig über Waffenexporte informieren. "Am besten bereits, wenn ein Land sein Interesse an einer Waffenlieferung bekundet", sagte Polenz SPIEGEL ONLINE. Waffengeschäften mit der Golfregion stehe er "generell sehr skeptisch" gegenüber, so der CDU-Politiker weiter. "Ich warne davor, die zu Recht restriktiven Rüstungsexportregeln Europas aufzuweichen. Katar ist kein geeignetes Empfängerland für Panzer", sagte Polenz.
Dabei gilt der Ausrichter der Fußball-WM 2022 durchaus als Staat, mit dem Deutschland in Rüstungs-Angelegenheiten ganz gern ins Geschäft kommen würde. Aus deutscher Sicht ist Katar eines der Länder, die für regionale Stabilität sorgen können, auch gegen Iran. Das extrem reiche Emirat mit 1,7 Millionen Einwohnern hat in der internationalen Politik zuletzt enorm an Einfluss gewonnen. Es nahm aktiv am Libyen-Einsatz teil und versorgt einen Teil der Rebellen in Syrien mit Waffen. In Katar gibt es kein Parlament, politische Parteien oder Gewerkschaften sind verboten. Die Menschenrechtssituation wird von NGO wie Amnesty International als besonders problematisch eingestuft.