Arbeitsbesuch in Brüssel Merkel warnt im Streit mit Polen vor zu schnellen EU-Sanktionen

Die Bundeskanzlerin hat sich im Konflikt der EU mit Polen und Ungarn gegen ein hartes Vorgehen ausgesprochen. Bei einem Besuch in Brüssel sagte Merkel, nötig seien vielmehr vertiefte Gespräche.
Bei ihrem Treffen sprachen Angela Merkel und Alexander de Croo über den Klimawandel, Rechtsstaatlichkeit und Migration

Bei ihrem Treffen sprachen Angela Merkel und Alexander de Croo über den Klimawandel, Rechtsstaatlichkeit und Migration

Foto: YVES HERMAN / REUTERS

Bei einem Treffen mit dem belgischen Ministerpräsidenten hat die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU davor gewarnt, im Streit mit den EU-Mitgliedern Polen und Ungarn zu schnell einen Sanktionsweg zu gehen. Es sei normal, dass Streitigkeiten in der EU immer wieder einmal vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landeten, sagte sie bei einem Besuch in Brüssel am Freitag. »Aber zu glauben, dass man politische Differenzen ... nur durch Gerichtsverfahren klären kann, das finde ich nicht«, sagte sie. Deshalb bereite ihr die Vielzahl von Gerichtsverfahren etwas Sorge. Nötig seien jetzt vielmehr vertiefte Gespräche.

Entscheidung des EuGH »erst einmal abwarten«

Merkel forderte zudem, dass man die Entscheidung des EuGH über Klagen von Polen und Ungarn über den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus abwarten sollte. Dieser sei ein Verfahren über die sachgerechte Verwendung von EU-Geld. »Ich finde, diese Entscheidung des EuGH kann man jetzt erst einmal abwarten«, sagte sie und fügte hinzu: »Indem Polen und Ungarn dorthin gegangen sind, sind sie auch bereit, dieses Urteil zu akzeptieren.« Davon sei sie »ganz überzeugt«.

Hintergrund sind Forderungen in der EU und im Europäischen Parlament, härter gegen die national-konservativen Regierungen in Polen und Ungarn vorzugehen, denen in der Justiz- und Medienpolitik der Bruch der Rechtsstaatsprinzipien der EU vorgeworfen wird.

Bei dem Treffen äußerte sich Merkel überzeugt, dass die sich anbahnende neue Ampelkoalition den bisherigen proeuropäischen Kurs Deutschlands fortsetzen wird. »Das ist eine wichtige Botschaft auch für die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union«, sagte Merkel.

»Es wird eine Regierung sein, die proeuropäisch ist.«

Angela Merkel

Sie werde aus Nachbarländern Deutschlands oft gefragt, wie die künftige Bundesregierung auftreten werde, sagte Merkel weiter. »Da kann ich aus voller Gewissheit sagen, es wird eine Regierung sein, die proeuropäisch ist, die weiß, was Europa uns für Frieden und Freiheit bedeutet«, hob die scheidende Kanzlerin hervor. Auch wenn ihre eigene Partei der Regierung nicht mehr angehören werde, »wird diese proeuropäische Orientierung weiter existieren«.

Merkel und der belgische Premierminister trafen sich zu Gesprächen im Egmont-Palast im Zentrum Brüssels. Sie sprachen über die internationalen und europäischen Bemühungen zur Begrenzung des Klimawandels sowie Handel, Rechtsstaatlichkeit und Migration. Zuvor erhielt Merkel vom belgischen König Philippe das Großkreuz des Leopold-Ordens (»Grand Cordon de l'Ordre de Léopold«) für Verdienste während ihrer 16-jährigen Amtszeit. »Ich empfinde es als eine sehr große Ehre«, sagte Merkel dazu.

muk/AFP/dpa
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