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Buchveröffentlichung: Wulff zurück im Rampenlicht

Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFP

Buchvorstellung in Berlin Wulffs Endabrechnung

"Mein Fall darf sich nicht wiederholen": Bei der Präsentation seines Buches versucht Christian Wulff, seine Ehre zu retten - nach Rücktritt und Korruptionsprozess schlägt der Exbundespräsident zurück. Die Härte seiner Kritik überrascht.

Berlin - Stolz, Trotz und Verbitterung. Das sind die Gefühle, die Christian Wulff ausbreitet wie ein Strandverkäufer seine Souvenirs. Er erfahre "viel Zuspruch, an der Tankstelle oder beim Einkaufen", sagt der frühere Bundespräsident stolz. "Der Rücktritt war falsch. Ich wäre heute noch der Richtige im Amt", erklärt er trotzig. Wulff beklagt, er sei öffentlich vorverurteilt worden. "Unschuldsvermutung ist ein Menschenrecht, das darf niemandem entzogen werden", meint er verbittert.

Der frühere Bundespräsident stellte am Dienstag in Berlin sein Buch "Ganz oben Ganz unten" vor. Wulff schreibt darin über die Zeit zwischen seinem Rücktritt als Staatschef und dem Ende seines Korruptionsprozesses. Allerdings ist Wulff nicht erschienen, um über sein Buch zu diskutieren (lesen Sie hier eine erste Rezension). Stattdessen nutzt der Altbundespräsident den Auftritt für eine Abrechnung mit seinen Kritikern.

Im Mittelpunkt steht Wulffs Medienschelte. Vor allem die "Bild"-Zeitung geht er hart an. Er prangert ein "Abhängigkeitsverhältnis zwischen Medien und Justiz" an und mahnt: "Mein Fall darf sich in dieser Weise in diesem Land nicht wiederholen". Der gefallene Bundespräsident sieht im Umgang mit seiner Person gar den Beweis, dass Justiz und Presse im Zusammenspiel die Demokratie gefährden können. Wulff greift die Staatsanwaltschaft Hannover an, die ihn "zum Rücktritt gezwungen" habe. "Am Ende blieb nichts als der Verdacht der Vorteilsannahme beim Münchner Oktoberfest vor sechs Jahren."

Harte Vorwürfe, weiche Selbstkritik

Wulffs öffentliche Abrechnung ist bis zur Perfektion vorbereitet. Der dunkelblaue Anzug sitzt knitterfrei, die Hitze des Tages ist Wulff nicht anzusehen. Während er spricht und Fragen beantwortet, gibt es keinen Moment des Zögerns, keine spürbare Unsicherheit, kein Straucheln. Der 54-Jährige inszeniert sich als Klartextredner, als Rächer der aus seiner Sicht Entrechteten im Land.

Immer wieder blitzt Genugtuung durch seine Sätze. "Alles ist offengelegt, jeder Stein ist umgedreht. Ich bin ein freier Mann, frei in jeder Hinsicht", sagt er etwa, und er habe "einen Freispruch ohne Wenn und Aber" bekommen. In Momenten wie diesen zeigt sich, wie schmal der Grat zwischen Klarstellung und Selbstgefälligkeit ist. Wulff spart aus, dass es bei seinem Sturz nicht nur um strafrechtlich relevante Vorwürfe ging - sondern auch um eine Reihe von Vorwürfen, die ihn politisch unter Druck setzten.

Auf derlei Selbstkritik muss man bei der Buchvorstellung lange warten. Wulff spricht eigene Fehler, "die zweifelsohne von mir zu verantworten sind", erst auf Nachfrage an. "Es wäre gelegentlich gut gewesen, Distanz zu wahren", räumt er ein. Es sei falsch gewesen, als Bundespräsident bestimmte Einladungen anzunehmen, dem Chefredakteur der "Bild"-Zeitung auf die Mailbox zu wüten und "nicht allumfassend Auskunft gegeben zu haben im niedersächsischen Landtag."

"Mir ist Unrecht getan worden"

Am Ende des Auftritts bleibt die Frage zurück, warum sich Wulff das alles antut. Er hätte sich auch einfach zurückziehen, in seinem neuen Anwaltsbüro in Hamburg arbeiten und sich in aller Stille weiter für Integrationspolitik engagieren können. Doch das ist Wulff nicht genug, er entschied sich anders.

Wulffs Wunsch nach Wiederherstellung seiner Würde zeichnete sich schon ab, als er beim Prozessauftakt in Hannover mit Bundesverdienstkreuz am Revers erschien. Die Buchvorstellung und die dazugehörige 264-Seiten-Lektüre ist nun die nächste Etappe von Wulffs Mission. Es ist sein Versuch, dass von seinem Vermächtnis als Bundespräsident mehr übrig bleibt als die Erinnerung an einen Klinkerbau in Großburgwedel und ein Mailbox-Zitat ("Der Rubikon ist überschritten").

In ihrer konsequenten Härte, ohne Anflug von Reue, ist Wulffs Endabrechnung erstaunlich. Er ist der Ansicht, dass er unverschuldet zurücktreten musste, dass er unverhältnismäßig bestraft wurde. Aus seiner Sicht ist er ein Opfer, das macht Wulff in Berlin klar. "Ich musste die Verletzungen für mich und meine Familie verarbeiten", sagt er. "Mir ist mehr Unrecht getan worden, als ich je Unrecht getan habe."

Am Rande des Auftritts sagt ein Verlagsmitarbeiter, dass man Wulff bei der Entstehung des Buches "geradezu habe bitten müssen", einen Einblick in seine Emotionen zu gewähren. Nach diesem Auftritt ist das schwer zu glauben.

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