Bürger fragen auf YouTube Was Pappnase von der Kanzlerin wissen will

Screenshot des YouTube-Kanals der Bundesregierung
Berlin - Soll niemand sagen, die Kanzlerin sei nicht modern. Ihr liebstes Kommunikationsmittel? Das Handy. Ihre Botschaften? Jagt ihr Sprecher gerne mal per Twitter in die Welt. Und - jetzt kommt's - in ein paar Tagen will Angela Merkel auch noch in den Bürgerdialog treten. Und zwar auf YouTube.
Dort nämlich konnte man der Kanzlerin in den vergangenen Tagen Fragen stellen. Knapp 2000 sind zusammengekommen, bis Freitag noch können User sie in eine Beliebtheitsreihenfolge bringen, oder neudeutsch gesagt: "ranken". Die zehn populärsten will die Kanzlerin ab dem 18. November in drei Folgen per Videobotschaft beantworten. Eine etwas andere Regierungserklärung gewissermaßen.
Das könnte ganz lustig werden, denn wie das so ist im Internet, interessieren sich die meisten der Teilnehmer weniger für die Feinheiten des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs als für banale Dinge. Kiffen zum Beispiel. Nach Lage der Dinge wird die Kanzlerin darüber etwas sagen müssen. Der Hanfverband fragt nämlich, ob Merkel sich vorstellen könne, "den bestehenden Schwarzmarkt für Cannabis durch einen regulierten Markt mit Jugend- und Verbraucherschutz" zu ersetzen und Suchtprävention "über Cannabis-Steuern zu finanzieren".
Fast uneinholbar liegt diese Frage derzeit auf Platz eins.
Die Bundesregierung spricht schon jetzt von einem großen Erfolg. Merkels Sprecher Steffen Seibert meint, die eigenen Erwartungen in der virtuellen Fragestunde seien "weit übertroffen" worden. Das Interesse der Fragenden sei breit gefächert, vor allem der Euro, der Sozialstaat und die Bildung bewege offenbar die Menschen.
"Den Bürgern platzt bald der Kragen bei dieser Politik"
Das ist eine, nun ja, etwas eigenwillige Interpretation der grammatikalisch nicht immer einwandfrei eingereichten Fragen. Zumindest was den Euro angeht muss man weit blättern, um auf eine entsprechende Frage zu stoßen. Unter den beliebtesten zwanzig findet man: keine einzige. Stand Mittwochmittag. Kann sich ja aber noch ändern.
Schon eher im Fokus steht, neutral formuliert, die Entlohnung der Politiker. "Frau Merkel", fragt etwa "Otto Kümmerling":
"Wie kann es sein das die Bundestagsabeordneten über ihre Diäten-Erhöhungen selbst bestimmen dürfen? In Unternehmen bestimmen ja auch nicht die Angestellten über ihre Löhne, da ihr ja dem Volk dient müsste das auch über Diäten, usw. bestimmen."
Wie gesagt: Grammatikalisch sind die Beiträge nicht immer eins a. Trotzdem liegt Herr Kümmerling mit seiner Frage derzeit auf Platz fünf.
Auf Platz elf findet sich ein ähnlicher Einwurf.
"Frau Merkel, zum 1000.mal Sagten Sie das wir nicht über die Verhältnisse Leben sollten und selber lebt grade Ihr wie die Made im Speck, erhöht die Diäten,Weihnachtsgelder, Gehälter, dicke Pensionen usw. wollen Sie damit die Bürger für Dumm verkaufen ?",
fragt "Beierlein". Auch "Hans Wurst" findet das alles nicht okay mit den Gehältern in der Politik:
"Frau Merkel, den Bürgern platzt bald der Kragen bei dieser Politik, wo Gelder für Kriege, andere Länder, Banken und der eigenen Versorgung aus dem Fenster geworfen werden und der Bürger geht leer aus, haben sie keine Angst vor Eier Werfern?"
Auch ansonsten entspricht die Tonlage nicht immer dem, was man im Bundespresseamt gewohnt sein dürfte. "kalib1962" zum Beispiel zieht ordentlich vom Leder. Er schreibt:
"Herr Raumsauer fordert eine Helm-Pflicht für Radfahrer, ich wäre dafür unsere Politiker einmal im Monat auf ihren geistigen Zustand zu überprüfen, was meinen Sie was die Bürger eher begrüßen würden Frau Merkel ?"
Auch "Anti-Rote-Socke" scheint kein großer Fan der Kanzlerin zu sein:
"Wenn es so weiter geht in diesem Zeitlupen Tempo die Krisen zu Beenden hat es sich bald Aus-gemerkelt, sind Sie bzw. die ganze Regierung überfordert Frau Merkel ?"
Und noch einmal "Hans Wurst":
"Nehmen Politiker, Abgeordnete und auch Beamte Schauspiel Unterricht? Oder wird einen das Lügen oder die Bürger Verdummung mit in die Wiege gelegt ?"
Zur Orientierung: Wir sind immer noch unter den beliebtesten 70 Fragen. Von knapp 2000. Deutlich abgeschlagen, irgendwo im dreistelligen Bereich, liegt übrigens die erste persönliche Frage an die Kanzlerin von User "Pappnase": "Frau Merkel, was machen Sie jeden Monat mit Ihren Einkommen von über 20.000 Euro ???"
"Immer mehr Lohndumping"
Zur Wahrheit gehört auch: Man stößt auch auf ernsthafte politische Erkundigungen. Sogar ganz vorne. Denn es gibt neben der These, dass Politiker abkassieren und faul sind, eine zweite Konstante, die sich durch die Fragen zieht. Sie ist, wenn man so will, die seriöse Schwester der ersten These: Viele User finden, dass es im Land nicht gerecht zugeht, bei den Gehältern, zwischen den Generationen, in Sachen Verteilung.
So fragt "Die Überlegte":
"Wie soll die nächste Generation alles abarbeiten?! Der demographische Wandel wird seine tiefen Spuren hinterlassen. Eine Person wird 2 Rentner finanzieren müssen und die Schulden der EU und D.s abbauen und noch mehr! Wie stellen sie sich das vor?!"
Platz drei derzeit.
"Warum kümmert sich der Staat nicht um die Ärmsten im Land und entzieht sich dieser Verantwortung, so das Suppenküchen, Tafeln, Obdachlosenheime usw. diese Arbeit übernehmen müssen, ist das nicht erbärmlich für solch reiches Deutschland Frau Merkel ?",
erkundigt sich "Anonym" ein paar Plätze weiter hinten. Und "Beierlein" fragt:
"Frau Merkel, es gibt immer mehr diese Dumping Lohn Leiharbeiter Firmen, warum führt man nicht in Unternehmen eine Quote ein zB. von 20 % die nicht überschritten werden darf, da viele Firmen fast nur Leiharbeiter haben, wie stehen sie zu einer Quote ?"
Fragen über Fragen. Aber ein paar Nachtschichten kann Merkel ja noch einlegen, um an den Antworten zu feilen. Und erst mal muss endgültig feststehen, welche zehn Fragen die Bürger überhaupt wirklich beantwortet wissen wollen.
Manche erwarten allerdings schon jetzt nicht viel vom Video-Auftritt Angela Merkels. Der "Politentsorger" zum Beispiel hat ganz grundsätzliche Zweifel daran, ob die Kanzlerin die Netznutzer wirklich ernst nimmt.
"Warum gibt es eine Frage Stunde an alle Politiker von den Bürgern nicht 1x im Monat im Bundestag Frau Merkel ? Denn hier gehen Ihnen doch die Fragen ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus oder soll sich doch etwas ändern nach dieser Befragung ?"
Vielleicht erhält er darauf sogar eine Antwort. Die Frage liegt aktuell auf Platz acht.