Drama im Mittelmeer
Gauck rügt deutsche Flüchtlingspolitik
"Die Bilder der Särge im Hangar des Flughafens von Lampedusa - sie passen nicht zu dem Bild, das wir Europäer von uns selber haben": Bundespräsident Joachim Gauck hat einen großzügigeren Umgang Deutschlands mit Flüchtlingen angemahnt.
Bundespräsident Gauck beim Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz: "Niemand in Europa sollte sich daran gewöhnen"
Foto: Kay Nietfeld/ dpa
Berlin - Hunderte Flüchtlinge aus Nordafrika fanden am Wochenende vorläufig in Italien Zuflucht, 30 starben beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Das sind die neuesten Nachrichten von dem Drama vor Italien, als Joachim Gauck in einer Grundsatzrede den Umgang mit Flüchtlingen in Europa in scharf kritisiert. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen forderte der Bundespräsident einen großzügigeren Umgang mit Zufluchtsuchenden. "Wir, das heißt Deutschland und auch Europa, tun viel - aber nicht so viel, wie es uns selbst manchmal scheint", sagte Gauck laut dem vorab verbreitetem Redetext.
Gauck wies in der Evangelischen Akademie insbesondere auf das Schicksal der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer hin, deren wachsende Zahl er auch auf die Abschottung der EU-Außengrenzen zurückführte. "Auch die hohe See ist kein rechtsfreier Raum, auch dort gelten die Menschenrechte", sagte Gauck.
"Die Bilder der Särge im Hangar des Flughafens von Lampedusa, die Bilder der kletternden Menschen am Stacheldrahtzaun der Exklaven Ceuta oder Melilla - sie passen nicht zu dem Bild, das wir Europäer von uns selber haben." An die Bilder von verdursteten Flüchtlingen könne er sich nicht gewöhnen, sagte Gauck. "Niemand in Europa sollte sich daran gewöhnen."
Leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt
Der Bundespräsident mahnte eine gründliche Einzelfallprüfung für jeden Zufluchtsuchenden in Europa an. "Eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik hat sicherzustellen, dass jeder Flüchtling von seinen Rechten auch Gebrauch machen kann - nicht zurückgewiesen zu werden ohne Anhörung der Fluchtgründe, gegebenenfalls auch Schutz vor Verfolgung zu erhalten", sagte er. Flüchtlinge und Asylbewerber sollten zudem einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, um ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können.
Der Bundespräsident betonte, die EU habe ein "legitimes Interesse", ihre Außengrenzen zu schützen. Andererseits müsse sie sich fragen lassen, inwieweit sie dadurch die Rechte oder gar das Leben derer gefährde, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung Schutz suchen.
Gauck begrüßte die Verabredung der Koalitionsparteien Union und SPD, für eine schnellere Prüfung von Asylanträgen zu sorgen. Er plädierte dafür, die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge in Deutschland weiter zu erleichtern.
Zuletzt hatte Gauck bei seinem Türkei-Besuch Ende April die enormen Anstrengungen der Türkei bei der Hilfe für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gelobt. Davor habe er "großen Respekt". Nach Schätzungen der Regierung in Ankara haben fast eine Million Syrer in der Türkei Zuflucht gefunden.